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Islamkonferenz: Die Moschee im Dorf lassen

Die Islamkonferenz hatte es in den vergangenen Jahren geschafft, den deutschen Islam aus seiner Hinterhofexistenz zu holen, neue Köpfe und Ansichten ins Rampenlicht zu rücken. Es träfe nicht nur die Muslime in Deutschland, wenn die Islamkonferenz II - mehr als ohnehin unvermeidlich - zur Stichwortgeberin für Islamophobie würde.

Den ganz großen Knall haben die muslimischen Verbände erst einmal vermieden, man hat sich vertagt. Und es ist wenig wahrscheinlich, dass sie die Islamkonferenz II, die Innenminister Thomas de Maizière einberuft, boykottieren werden. Das erspart nicht nur de Maizière eine Blamage gleich zum Auftakt; eine Islamkonferenz ohne islamische Verbände wäre kaum vorstellbar gewesen. Aber auch eine realistische Einschätzung ihrer Möglichkeiten wird für die vier Verbände eine Rolle spielen. Zwar hat de Maizière mit seiner Weigerung, den Islamrat weiterhin als Vollmitglied der Konferenz einzuladen, die anderen Verbände in eine schwierige Lage gebracht, sind sie doch alle in einem Dachverband zusammengeschlossen. Doch ob die Muslime es bei einem Boykott vermeiden könnten, selbst als Schuldige dazustehen, ist mehr als fraglich.

Zu hoffen bleibt, dass die aktuelle Krise wenigstens hilft, die Agenda der Islamkonferenz zu verändern. Dort soll nach den Buchstaben der Tagesordnung zwar über radikalen Islamismus und die Gleichberechtigung von Mann und Frau diskutiert werden, nicht aber über Islamophobie und Diskriminierung von Muslimen. Nun ist es zwar, wie ein kluger Mensch bemerkte, ein gusseisernes Prinzip der Organisationssoziologie, dass an Neuankömmlinge stets Anforderungen gestellt werden, die von den Alteingesessenen zu fordern niemand auch nur im Traum einfiele: Wer käme etwa auf die Idee, das fragwürdige Verhältnis der katholischen Kirche zur Gleichberechtigung von Mann und Frau staatlicherseits zu thematisieren, so wie es de Maizières Islamkonferenz nun erneut mit den Muslimen tun will? Wer wollte die Reformpädagogik unter Generalverdacht stellen, weil jetzt auch in der berühmten Odenwaldschule jahrzehntelanger Missbrauch bekannt geworden ist?

Vielleicht muss man mit solchen doppelten Standards leben. Man sollte aber mindestens ihre Kosten kennen und sie gegebenenfalls begrenzen. Das stete Betonen der vorgeblichen Defizite der Muslime, ihrer angeblich völligen Andersartigkeit – und damit ihrer Nichtintegrierbarkeit – zementiert in der sogenannten Mehrheitsgesellschaft Vorurteile oder lässt sie erst entstehen. Dies umso mehr, als der alte Rassismus sich modisch als Islamophobie verkleidet und so begeisterten Zulauf selbst von Feministinnen und laizistischen Linken bekommt. Zugleich ist dieser andauernde Negativdiskurs um den Islam ein vermutlich erfolgreiches Mittel, Muslime in Isolation und Opfermentalität zu treiben.

Gefährlich ist beides für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Am gefährlichsten wäre es, wenn es von ganz oben befeuert würde, von der wichtigsten, sichtbarsten Plattform des Dialogs zwischen Staat und Islam, der Islamkonferenz. Es träfe nicht nur die Muslime in Deutschland, wenn diese Konferenz – mehr als ohnehin unvermeidlich – zur Stichwortgeberin für Islamophobie würde. Die Konferenz hatte es in den vergangenen Jahren geschafft, den deutschen Islam aus seiner Hinterhofexistenz zu holen, neue Köpfe und Ansichten ins Rampenlicht zu rücken. Sie hat geholfen, Deutschlands Einwanderer insgesamt vom Katzentisch an die große Tafel zu befördern. Es hat sich im deutschen Islam viel getan. Nicht zuletzt seine größere Sichtbarkeit ist dafür verantwortlich. So entstand etwa der „Koordinationsrat der Muslime“, weil der Staat immer dringlicher eine gemeinsame Telefonnummer verlangte.

Von Normalität ist die immer noch neue Religion in Deutschland, ja in Europa trotzdem weit entfernt. Daran erinnert gerade der Menschenrechtsreport des US-Außenministeriums, der das Kopftuchverbot in Deutschland, den Minarettstopp in der Schweiz und die Burkadebatte in Frankreich anprangert. Der amtierende US-Präsident hat, in seiner Kairoer Botschaft an die Muslime, erklärt, dass die Chancen eines Menschen nicht von seinen weltanschaulichen Überzeugungen oder seiner Kopfbedeckung abhängen dürfen. Vielleicht haben sie im Mutterland der Unabhängigkeitserklärung einfach schneller verstanden als wir im alten schwerfälligen Europa, was dieser eine großartige Satz darin bedeutet: „Alle Menschen wurden gleich erschaffen.“

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