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Islamkonferenz: Vom Reden wird man klüger

Nach der Islamkonferenz, die jetzt zu Ende gegangen ist, kann man fragen: Was hat sie gebracht, wo sind die Beschlüsse? Und darf dann mit Recht enttäuscht sein.

Nach der Islamkonferenz, die jetzt zu Ende gegangen ist, kann man fragen: Was hat sie gebracht, wo sind die Beschlüsse? Und darf dann mit Recht enttäuscht sein. Abgesehen von Sitzungsprotokollen, neuerdings einer Handreichung zum Umgang mit muslimischen Eltern an den Schulen, bleibt wenig Papier, das Staatstragendes fürs Bundesarchiv enthielte. Es ist aber viel anderes, das von dieser Einrichtung bleibt, die den ersten Dialog von Staat und Muslimen auf so hoher Ebene organisierte und sie fast drei Jahre lang im Gespräch hielt: Für die Beteiligten sind es Kontakte, neue kurze Dienstwege und, nicht zuletzt, neues Wissen über- und Verständnis füreinander. Das ist auch für das Bundesinnenministerium, das schon qua Auftrag dazu neigt, viele Dinge des Lebens vor allem unter Ordnungs- und Sicherheitsaspekten zu sehen, ganz und gar nicht wenig.

In diesen drei Jahren ist aber nicht nur Wolfgang Schäubles Ministerialbürokratie klüger geworden – die dies sogar zugibt –, der Rest des Landes ist es auch. Was Muslime glauben, welche Werte sie haben und, vor allem, wie unendlich unterschiedlich sie glauben, denken, fühlen, ließ sich in den teils heftigen Auseinandersetzungen auf der Konferenz live besichtigen. Es mag eine Binse sein, dass zwei Muslime ebenso verschieden sein können wie eine katholische philippinische Bäuerin und, sagen wir, Kardinal Karl Lehmann. Aber im Fall der Muslime in Deutschland brauchte die sogenannte Mehrheitsgesellschaft diesen Anschauungsunterricht. Weitere wichtige Punkte unter den soft effects der Konferenz: Sie hat den Muslimen ein Forum geschaffen, dem Islam in Deutschland Gesichter und Stimmen gegeben, ihn womöglich auch angeregt, professioneller als bisher auf die nichtmuslimische Umwelt zuzugehen und öffentlich-politisch satisfaktionsfähig zu werden.

Den eigentlichen Punkt hat man in diesen drei Jahren nicht einmal touchiert. Wenn es ein Thema gibt, das ein Dialog zwischen Staat und Islam hätte behandeln müssen, dann die rechtliche Einbindung dieser zweitgrößten Glaubensrichtung nach dem Christentum ins deutsche Religionsverfassungsrecht. Man hat aber selbst um die Vorarbeiten einen Bogen gemacht. Die Konferenz hat sogar darauf verzichtet, Kriterien zu formulieren, wie der Islam sich als Religionsgemeinschaft so organisieren könnte, dass er den Ansprüchen des Grundgesetzes entspräche. Die Gründe liegen auf der Hand. Das traditionelle Monopol der Kirchen wäre in Gefahr, und gerade ein christdemokratischer Minister muss fürchten, nicht nur sie auf die Barrikaden zu treiben, sondern vielleicht auch jene frommen Atheisten unter seinen Wählern, die nicht gläubig sind, die Kirchen aber als taugliche und einzige Sinnstiftungsagenturen schätzen oder gar den Untergang des Abendlands erwarten, wenn deren Stellung auch nur Konkurrenz bekommt.

Diese Angst ist unbegründet. Im Gegenteil könnte ein Islam, der die Hinterhofmoscheen verlässt und zum anschlussfähigen Mitbewerber wird, den Kirchen helfen, ihr geistliches Kerngeschäft neu zu beleben. Genau das scheinen die eingetragenen Christen zu erwarten; der Misserfolg von Pro Reli gerade unter gläubigen Berlinern und der Ärger, den die Initiative in Teilen des Kirchenvolks hinterlassen hat, sollten ein instruktives und warnendes Beispiel geben. Dennoch schlagen das Bistum Berlin und die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg mit ihrer Karlsruher Klage gegen die verkaufsoffenen Sonntage gerade die nächste aussichtslose Schlacht um einen Platz in der Welt, den sie nicht brauchen.

Die neue öffentliche Rolle des Islam hat bereits jetzt dazu geführt, dass wieder über Religion geredet wird. Das ist Wasser auch auf christliche Mühlen, und einige Würdenträger haben das auch verstanden; der Sekretär der katholischen Bischofskonferenz sprach sich kürzlich für die Gleichstellung des Islam aus. Über Religion, ihre Rolle im öffentlichen Leben und die Grenzen dieser Rolle zu reden, ist aber auch ein Mittel, sich unserer republikanischen Werte neu zu vergewissern. Das ist dringend nötig. Schon deshalb muss die nächste Islamkonferenz endlich zur Sache kommen – und über Gleichberechtigung sprechen.

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