zum Hauptinhalt

Meinung: Israel nach der Wahl: Vorläufig Ruhe statt Frieden

Welchen Frieden meint Ariel Scharon? Das fragen sich derzeit die Führer der arabischen Welt.

Welchen Frieden meint Ariel Scharon? Das fragen sich derzeit die Führer der arabischen Welt. Sie vermeiden, die im Wahlkampf abgegebenen Parolen zu kommentieren und warten ab, was er nun, als israelischer Premierminister, auf den Tisch legen wird. Aus den ersten Äußerungen ist jedoch zu schließen, dass sich dies nicht wesentlich unterscheiden wird.

Der von Ex-Präsident Bill Clinton im Dezember vorgelegte Plan, der die Teilung Jerusalems gegen einen Verzicht auf das Rückkehrrecht der Palästinenser vorsieht und die Basis der intensiven Verhandlungen in Taba war, ist für Scharon keine Arbeitsgrundlage. Mit seinem Besuch an der Klagemauer nach seinem Wahlsieg unterstrich Scharon sein Versprechen, Jerusalem als ungeteilte und ewige Hauptstadt Israel zu erhalten. Auch Syrien erteilte Scharons Berater am Donnerstag bereits eine Absage: Verhandlungen mit dem Ziel, den 1967 eroberten Golan zurückzugeben, werde es nicht geben. Mit diesen Positionen kann es weder Frieden mit Syrien noch ein endgültiges Abkommen mit den Palästinensern geben.

Damit rechnet in der arabischen Welt ohnehin kaum jemand. Vielmehr wird Scharons Regierungszeit schon jetzt als Übergangsperiode gesehen, in der vor allem vermieden werden muss, die Spannungen weiter anzuheizen. Daran ist sowohl die Palästinenserführung interessiert, die hofft, mit einer Nachfolgeregierung wieder ernsthaft verhandeln zu können. Aber auch Jordanien und Ägypten. Die beiden Länder, die Friedensverträge mit Israel haben, wollen unter allen Umständen eine Verhärtung der Fronten vermeiden: Der Druck durch die eigene Bevölkerung, die Beziehungen zu Israel auszusetzen angesichts des brutalen Vorgehens gegen die Palästinenser, wächst täglich.

Arabische Welt geeint wie selten

Die arabischen Führer werden im März bei ihrem Gipfeltreffen in Amman versuchen, eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Die Wahl des Hardliners Scharon hat der Solidarität mit den Palästinensern einen großen Schub gegeben: Die blutige Vergangenheit des Generals, der wegen seiner Mitverantwortung für die Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila als Verteidigungsminister zurücktreten musste, mögen die Israelis vergessen haben - die Araber haben es gewiss nicht. Dennoch werden die Palästinenser unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, dass sie die Verhandlungen abbrechen. Daher wird die Strategie der arabischen Staaten und der Palästinenser sein, Scharon international als Buhmann hinzustellen - wenn feststeht, dass Verhandlungen mit ihm keinen Sinn machen. Man wird auf diplomatischer Ebene auf die bestehenden Abkommen und UN-Resolutionen hinweisen in der Hoffnung, dass internationaler Druck Scharon im Zaum halten wird.

Dies könnte gelingen, da die arabische Welt wahrscheinlich ungewohnt geeint auftreten wird und auch der Westen seine Zweifel an der Friedfertigkeit Scharons hegt. Das Szenario würde dann an die Zeit des israelischen Likud-Premiers Benjamin Netanjahu erinnern, dessen kompromisslose Positionen die Amerikaner verärgert und den Palästinensern weltweite Sympathien eingebracht hatten - mehr allerdings auch nicht. Doch die Angst vor Provokationen ist groß. Denn im arabischen Lager gibt es auch Kräfte, die Scharon militärisch herausfordern wollen, damit er sein "wahres Gesicht zeigt". Ein Selbstmordanschlag der Hisbollah oder der Hamas könnte eine unkontrollierbare Kettenreaktion der Gewalt auslösen, die alle diplomatischen Versuche zur Isolation Israels zunichte machen würde. So herrscht im Nahen Osten einmal mehr gespannte Ruhe. Andere sagen: Die Ruhe vor dem Sturm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false