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Auf der Suche nach Rückendeckung: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beim Truppenbesuch.

© dpa

Israel und die USA: Netanjahu will Neuwahlen - um gegen Obama anzutreten

Der israelische Ministerpräsident will sich ein neues Mandat der Israelis sichern – auch für neuen Streit mit dem US-Präsidenten.

Armer Barack Obama. Der Präsident der USA ist derzeit wirklich nicht zu beneiden. Der Endspurt im Rennen um das Weiße Haus hat begonnen – und dem Amtsinhaber scheint langsam die nötige Luft auszugehen. Beim TV-Duell gegen Herausforderer Mitt Romney wurde das augenscheinlich. Obama wirkte lustlos, uninspiriert, dazu auch noch ziemlich abgekämpft und müde. Romney dagegen, der Ältere, machte einen frischen, angriffslustigen Eindruck. Nun hat der Kandidat der Republikaner sogar in den Umfragen erstmals die Nase vorn.

Nein, es läuft nicht gut für Barack Obama – sehr zur Freude eines selbstbewussten Mannes im fernen Jerusalem. Benjamin Netanjahu wäre es eine echte Genugtuung, würde der derzeitige US-Präsident bei der Wahl am 6. November scheitern und damit Vergangenheit sein. Denn die beiden liegen nicht nur inhaltlich in nahezu allen Fragen zum Nahen Osten über Kreuz, sondern Obama hat den konservativen israelischen Regierungschef zudem allzu oft spüren lassen, was er persönlich von ihm hält: nichts.

Netanjahu wiederum lässt schon lange keine Gelegenheit aus, Amerikas Nummer eins das politische Leben in der langen Wahlkampfzeit schwer zu machen. Diese Woche hat „Bibi“, wie er im Land genannt wird, das erneut unter Beweis gestellt. Die unlängst von ihm auf den Weg gebrachten Neuwahlen in Israel beinhalten nämlich auch eine klare Botschaft in Richtung Obama: Aufgepasst, Mr. President, mit mir und meiner Sturheit – gerade wenn es um das iranische Atomprogramm geht – müssen sie weiterhin rechnen! In der Tat kann sich Netanjahu berechtigte Hoffnung machen, Regierungschef des jüdischen Staates zu bleiben. Ein ernsthafter Konkurrent ist nicht in Sicht.

Die traditionell zersplitterte Opposition hat zwar von den Sozialprotesten vieler erzürnter Israels etwas profitieren können. Doch reicht das kaum aus, den amtierenden Premier ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Netanjahu gilt bei vielen seiner Landsleute als ein stabilisierender Faktor. Das ist ein kaum zu überschätzender Amtsbonus angesichts der Unruhen in der arabisch-muslimischen Welt – und der Ministerpräsident weiß das zu nutzen. Er wird im Wahlkampf vor allem auf die nationale Karte setzen. Die verspricht Erfolg.

Dass Teherans Streben nach nuklearer Macht eine tödliche Bedrohung für ihre Heimat bedeutet, steht für die Mehrheit der Israelis außer Frage. Über Netanjahus alarmistische Auftritte schütteln viele zwar den Kopf: zweiter Holocaust, rote Linien, Bombenbilder, die wie selbst gemalt wirken. Das kommt bei den wenigsten gut an, vielmehr als Propaganda. Doch ist man sich weitgehend einig, dass der Westen einschließlich der USA trotz aller Sanktionen und Warnungen die Mullahs weiter gefährlich leichtfertig gewähren lässt. Wenn es letztendlich hart auf hart kommen sollte, zum Krieg, stünde Israel wohl alleine da. Daran zweifelt zwischen Haifa und Beersheva kaum einer.

Netanjahu versteht es geschickt, diese Stimmung für sich zu nutzen. Er ist ein gewiefter Taktiker, der weiß, wann seine Erfolgsaussichten am größten sind. Genau deshalb hat der Premier gerade jetzt Neuwahlen angesetzt, obwohl das im Grunde nicht nötig war. Die Drohung aus Teheran, das „zionistische Gebilde“ gehöre von der Landkarte getilgt, verspricht ihm aber viele Stimmen. Diese Rückendeckung wiederum ermöglicht es Netanjahu, nach außen Stärke zu demonstrieren. Auch und gerade gegenüber den USA unter einem Präsidenten Obama.

Denn Israels Regierungschef hofft zwar einerseits auf dessen Scheitern. Andererseits weiß er genau, dass der Demokrat sehr wohl noch gute Chancen auf eine zweite Amtszeit hat. Das hieße, die Probleme mit dem engsten Verbündeten hätten Bestand. Darum ist es aus Netanjahus Sicht mehr als hilfreich, sich schon einmal mit einem guten Wahlergebnis im eigenen Land eine solide Ausgangsbasis für eine dann vorhersehbare Konfrontation mit Obama zu verschaffen.

Das mag plump erscheinen. Nur täusche sich keiner: Netanjahu ist in der Lage, kühl zu kalkulieren, um seine Ziele zu erreichen. Schon ein Blick auf seinen Zeitplan offenbart das: Israel wird vermutlich im Frühjahr kommenden Jahres wählen, anschließend könnte Netanjahu ein eindeutiges Mandat der Israelis vorweisen. In der UN-Vollversammlung hat er kürzlich beim Ziehen roter Linien prognostiziert, der Iran werde spätestens im Sommer über genügend angereichertes Uran verfügen, um eine Atombombe zu bauen. Frühjahr, Sommer … Auch der amerikanische Präsident wird eins und eins zusammenzählen. Das Ergebnis sind zwei, denen Streit bevorsteht. Nach dem harten Wettstreit mit Romney im Wahlkampf. Armer Obama.

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