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Israel und Iran: Auch Mullahs haben ein Recht auf Schutz

Israel droht Iran, nicht andersherum. Und könnte das Land nicht allzu plausible Gründe haben, sich mit dem ultimativen Mittel, der Atombombe, zu schützen?

Die Erklärung von elf Abgeordneten der Linksfraktion, nicht an der Abstimmung über eine Erklärung des Bundestages zum Antisemitismus teilzunehmen, hat manche Medien in heftige Erregung versetzt. Leider hat der Vorgang nicht dazu geführt, über die Gründe der Ablehnung nachzudenken. Stattdessen wird den Abgeordneten nachgeworfen, sie negierten das Existenzrecht Israels, sie seien Freunde der Hamas und Hisbollah, sie verglichen Israel mit dem Nazi-Staat und würden eine atomare Aufrüstung Irans begrüßen, überhaupt sei ihre Kritik an der israelischen Politik ein durch Antizionismus getarnter Antisemitismus.

Alles Unsinn – mit keinem Zitat, keiner Äußerung und keiner Handlung nachweisbare Falschmeldungen. Aber noch in der Bundestagsdebatte über die Antisemitismuserklärung bedienten sich Abgeordnete der CDU/CSU aus diesem Arsenal der Verdächtigungen: ein zweifelhafter Höhepunkt in der seit langer Zeit geführten Auseinandersetzung über die richtige Kritik, über den richtigen Umgang mit dem Palästinaproblem. Die Tatsache nur, dass sie in letzter Zeit so heftige, ja diffamatorische Formen angenommen hat, hängt offensichtlich mit dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung und der ewig erneuerten Enttäuschung über gescheiterte Lösungsversuche zusammen. Denn die Konfrontation findet ja nicht mit Antisemiten statt, sondern mit Kritikerinnen und Kritikern der israelischen Politik über den Umgang mit den Palästinensern.

Es geht nicht um das Existenzrecht Israels, welches für uns alle außer Frage steht. Es geht um die massiven Menschenrechtsverletzungen, die seit Jahrzehnten von den UN dokumentiert und gerügt werden. Es geht nicht um Bündnisse oder Solidarität mit Hamas. Es geht um das nüchterne politische Gebot, auch mit dem Gegner Kontakt aufzunehmen, um die Gewalt einzudämmen und zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zu kommen. Und die Kritik an der zionistischen Ideologie stellt nicht die Existenz Israels in Frage, wohl aber den Anspruch der Siedler und ihrer Regierung, palästinensisches Gebiet über die Grenzen von 1967 hinaus zu annektieren.

Oder nehmen wir die Bedrohung durch den Iran. Wie dramatisch die israelische Regierung die Bedrohung einschätzt, zeigen die jüngsten Manöver der israelischen Luftwaffe im Mittelmeer, mit denen Bombenabwürfe auf iranische Atomanlagen geübt wurden. Es vergeht keine Woche, in der nicht israelisches Militär oder Politiker die Möglichkeit eines Militärschlages gegen den Iran bekunden.

Die unerträgliche Rhetorik des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad heizt die antiisraelische und antisemitische Stimmung im Lande zwar mächtig an. Eine vergleichbare Drohung wie die israelische gegen Iran enthält sie aber definitiv nicht. Und das unveränderte Beharren auf der Urananreicherung zur zivilen Nutzung der Kernenergie – man mag der Versicherung glauben oder nicht – ist keine Drohung mit einem Angriff.

Zwei Fragen stellen sich aber den Vertretern einer harten Sanktionspolitik. Könnte nicht ein Staat in der Situation des Iran – umgeben von Atomstaaten und US-amerikanischen Vasallenstaaten, ohne Gewaltverzicht und ohne ein Sicherheitsabkommen mit den USA, stattdessen ständig bedroht mit einem militärischen Überfall – nur allzu plausible Gründe haben, sich mit dem ultimativen Mittel, der Atombombe also, zu schützen? Könnte nicht die Sanktionsschraube am Ende wie eine „self-fulfilling prophecy“ genau das erreichen, was sie eigentlich verhindern wollte?

Einziger Ausweg aus dieser atomaren Hochrüstung wäre die allseitige konsequente Abrüstung – sei es in Israel oder Pakistan, Indien oder den USA. Und Bedrohungen, seien sie real oder eingebildet, lassen sich nur durch Verhandlungen ohne Drohung aus dem Weg räumen. Unsere Hoffnung liegt daher in einem Wandel der US-Iranpolitik unter Obama: weg von der erfolglosen Sanktionspolitik seines Vorgängers hin zu seinem jüngst gemachten Angebot der Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Das würde auch Israels Sicherheit stärken.

Der Autor ist außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.

Eine Position von Norman Paech

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