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Netanjahus macht Krawall. Vor allem für den Wahlkampf. Das ist auch deshalb fatal, weil er die Stimmung in der Bevölkerung nicht mehr vollständig abbildet.

© AFP

Israels Brachialpolitik: Netanjahu tappt in eine außenpolitische Falle

Israel gehen die Freunde aus. Mit seiner Brachialpolitik und dem Wahlkampflärm verschreckt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu seine Verbündeten. Aber auch die Meinung der Israelis trifft er damit nicht mehr ganz.

Von Anna Sauerbrey

Dreitausend neue Wohnungen im Westjordanland hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, in „E1“, einem Gebiet im Nordosten Jerusalems, von dem Palästinenser fürchten, es könne einmal als israelischer Riegel das Westjordanland teilen. Und die Steuern, die Israel für die Palästinensische Autonomiebehörde erhebt, will der Premier in diesem Monat auch nicht weiterleiten.

Auf die Aufwertung Palästinas durch die Vereinten Nationen reagiert Israel mit einer maximalen Provokation. Ein symbolischer Erfolg gegen Israel wird mit einer nicht minder symbolischen Vergeltungsgeste beantwortet. Willkommen im Nahen Osten.

Mit rationaler, womöglich noch mit zukunftsweisender Politik hat das alles nichts zu tun. Nicht der kurze, aber schmerzhafte Gewaltausbruch in Gaza. Nicht Abbas’ Schachzug auf dem internationalen Parkett und nicht Netanjahus Siedlungsbauankündigung. Niemand ist dadurch einen Schritt weitergekommen – geschweige denn, dass sich an den Lebensbedingungen der Menschen etwas geändert hätte.

Im Wandel begriffen ist lediglich die außenpolitische Lage Israels. Dem Land gehen die Freunde aus. Frankreich und England haben nun sogar diplomatische Eskalationsstufen gezündet. Und die Kanzlerin will Netanjahu bei seinem Besuch am Donnerstag in Berlin die Leviten lesen. Legt man die UN-Abstimmung in der vergangenen Woche zu Grunde, bleiben Netanjahu noch die Tschechen (kennt außerhalb von Europa niemand), Panama (oh, wie schön), Mikronesien (der Name sagt alles), Kanada und, ach ja, die USA und ein paar ihrer assoziierten Gebiete. Gäbe es bei der UN allerdings die Möglichkeit, eine halbe Stimme abzugeben, die Amerikaner hätten sie genutzt. Das Verhältnis ist auf einem Tiefpunkt. Während in Gaza die Bomben fielen und in Tel Aviv ein Bus explodierte, herzte Obama asiatische Regierungschefinnen. Als Netanjahu im September in New York war, hatte der Präsident keine Zeit für ihn.

Netanjahus Wahlkampfkrawall ist auch deshalb fatal, weil er die Stimmung in der Bevölkerung nicht mehr vollständig abbildet. Eine Mehrheit der Israelis befürwortet weiter die Siedlungen. Doch das überwältigende Gefühl ist Resignation. An den Friedensprozess glaubt niemand mehr. Gerade diese Stimmung könnte ein mutiger, zu schmerzhaften Entscheidungen bereiter Politiker nutzen, jene ungedeckten Konzessionen zu machen, ohne die es eine Einigung nie geben wird. Doch dieser Typ ist Netanjahu bekanntlich nicht.

Der Brachialpolitiker Netanjahu tappt lieber in seine eigene Falle. Denn Anfang des Jahres wird ja nicht nur gewählt. Durch Netanjahus Frühling schlängelt sich auch noch eine Rote Linie – jene Linie, die er vor der UN-Vollversammlung im September beschworen hat: Sein Land, betonte er, werde einen nuklear bewaffneten Iran verhindern und Mitte 2013 könnte es so weit sein. Will Israel die iranischen Laborbunker dann mit Bananen aus Panama bombardieren?

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