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Meinung: Israels neue Regierung: Alle machen mit - keiner weiß, was

Ist das noch der alte Ariel Scharon? Statt als Bulldozer präsentiert er sich seit Wochen als alle umarmender Teddybär.

Ist das noch der alte Ariel Scharon? Statt als Bulldozer präsentiert er sich seit Wochen als alle umarmender Teddybär. Brachte die weitgefächertste Koalition der israelischen Geschichte zusammen. Und ganz gegen sein Rabaukenimage hat er dies in nur einem Monat und unter geringen Verwerfungen zu Wege gebracht - indem er beispielsweise der Arbeitspartei fast alles zubilligte, was sie von ihm verlangte.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Raffinesse Scharon auf die Verwundungen der israelischen Seele reagiert und virtuos auf der Klaviatur der nationalen Einheit spielt. Statt - wie im Yom-Kippur-Krieg - Brückenköpfe in feindliches Territorium zu schlagen, will er jetzt als großer Brückenbauer in die Geschichte eingehen. So bringt er mit der Rabin-Tochter Dalia Rabin-Peelosof die erste Frau auf den Posten des stellvertretenden Verteidigungsministers - und integriert mit ihr auch den Friedens-Mythos des ermordeten Premierministers in seine Regierung.

Und wie um das Stereotyp zu bestätigen, dass nur ein rechts-nationaler Regierungschef Frieden mit den Arabern schließen könne, bietet er mit Salah Tarif nun auch dem ersten Araber einen Ministerposten an. Zwar weiß niemand, wie dieser Druse sich mit dem rechtsextremen Avigdor Liebermann vertragen wird, der für den "freiwilligen Transfer" aller Araber aus den besetzten Gebieten in arabische Länder eintritt. Aber dass nun ein Araber zur nationalen Koalition gerechnet wird, ist eine Revolution, die sich die Arbeitspartei nicht hätte erlauben können.

Tritt Scharon in die Fußstapfen Begins und schließt Frieden mit den Palästinensern wie Begin mit Ägypten? Oder hat er bloß Kreide gefressen, um die große Hürde zu nehmen: seine Bestätigung durch die Knesset? Der Preis jedenfalls, den Israel für diese Koalition zahlt, ist hoch. Nicht, weil für die wohl 25 Minister und 7 Vizeminister ein riesiger, hufeisenförmiger Kabinettstisch angeschafft werden muss und alle einen Dienstwagen bekommen: Es ist die Demokratie, die leidet, wenn ein Drittel der Knesset-Mitglieder ins Kabinett wandert. Das verwischt die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative. Auch das säkulare Projekt, das den Likud mit der Arbeitspartei verbindet, hat durch die Zugeständnisse an die orthodoxe Shas-Partei weiter gelitten. Diese hat dem Premier bei der Frage des Militärdienstes von Religionsschülern die Folterwerkzeuge gezeigt: eine erste Krise, noch bevor die Regierung im Amt war. Und Scharon musste nachgeben, um nicht am Start schon zu scheitern

Die in der Bevölkerung weit verbreitete Sehnsucht nach einem geeinten Israel ist das Ergebnis eines Traumas, nicht nur auf der Linken. Man glaubte einen Frieden zum Greifen nahe. Dass Arafat Baraks ausgestreckte Hand mit einer Intifada beantwortete, kann keiner verstehen. Jetzt ist der Wunsch, es Arafat mal so richtig zu zeigen fast so groß wie das Sicherheitsbedürfnis. Und so wird Scharon punktuell Härte zeigen, indem er etwa militärisch auf den anhaltenden Beschuss des Jerusalemer Vororts Gilo reagiert. Ansonsten kann auch er den Grundwiderspruch der israelischen Politik nicht auflösen: dass man auf palästinensische Arbeitskräfte angewiesen ist, aber keine Terroristen über die grüne Linie kommen lassen will. Auch das Projekt der "Großen Mauer" macht nur Sinn, wenn Palästinenser nicht mehr einreisen dürften.

Hamas hat schon angekündigt, Scharon im neuen Amt mit zehn Selbstmordattentätern begrüßen zu wollen. Wie wird Scharon darauf antworten? Der Bulldozer hat vom neuen amerikanischen Präsidenten gelernt: links umarmen und rechts handeln. Was im Ernstfall aber rechts handeln bedeutet, das möchte sich keiner so genau ausmalen.

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