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Meinung: Ist der Ruf erst ruiniert

Von Corinna Visser Am Dienstag wird der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom zusammentreffen. Dabei wird er nicht nur nur über das Schicksal von Vorstandschef Ron Sommer und die Zukunft der Deutschen Telekom entscheiden.

Von Corinna Visser

Am Dienstag wird der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom zusammentreffen. Dabei wird er nicht nur nur über das Schicksal von Vorstandschef Ron Sommer und die Zukunft der Deutschen Telekom entscheiden. Bei diesem vorerst letzten Akt eines unwürdigen Possenspiels geht es auch um den Ruf des Standorts Deutschland.

Der erste Akt, die erste Fehlentscheidung, liegt schon sehr lange zurück. Der Fehler der Regierung Kohl war, die Aktie der Telekom Hunderttausenden Börsenneulingen als Volksaktie zu verkaufen. Sie haben mit einigem Recht darauf vertraut, dass eine Volksaktie fast so sicher ist wie ein Rentenpapier. Niemand hat ihnen beim Börsengang 1996 gesagt, dass eine Aktie ein Risikopapier ist, bei dem man sein ganzes Geld verlieren kann.

Die Kohl-Regierung ist den Schritt der Privatisierung konsequent gegangen. Der Einfluss des Staates auf das Unternehmen ist gering. Was gut ist. Falsch war jedoch, dass die zwei Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat tatenlos zugesehen haben, wie das Gremium den Vorständen die Bezüge für das vergangene Jahr um 90 Prozent erhöht hat, während der Aktienkurs um 90 Prozent eingebrochen ist und die Anleger viel Geld verloren haben. Das war politisch instinktlos. Und obendrein auch ein grober Marketingfehler des sonst in diesen Dingen so geschickten Ron Sommer.

So hatte Edmund Stoiber leichtes Spiel, diese „soziale Ungerechtigkeit“ zum Wahlkampfthema zu machen. Wirtschaftlichen Sachverstand hat der Kanzlerkandidat der Union mit seinem Ruf nach einem Eingriff der Bundesregierung zwar nicht bewiesen – aber er hat vielen Wählern aus der Seele gesprochen. Fatal war hingegen der hektische Aktionismus, den die populistische Stoiber-Attacke bei Gerhard Schröder auslöste. Noch im Mai hatte sich der Kanzler mit klaren Worten hinter Sommer gestellt. Nun lässt er ihn fallen. Aber mit welcher Begründung?

Seit der Hauptversammlung im Mai, wo der Bund Ron Sommer entlastet hat, hat sich im Unternehmen nichts Wesentliches verändert. Viele Entscheidungen Sommers können mit Recht diskutiert werden. Musste er viele Milliarden Euro in den Erwerb von UMTS-Lizenzen stecken? War es richtig, so viel Geld für den Mobilfunkanbieter Voicestream zu bezahlen und der Telekom den gigantischen Schuldenberg von 67 Milliarden Euro aufzuladen? Ganz gleich wie man diese Fragen beantwortet. Diese Entscheidungen liegen alle länger als zwölf Monate zurück. Für den plötzlichen Meinungsumschwung Schröders kann es also nur einen Grund geben: Er ist Stoiber in die Falle gelaufen.

Und dabei haben der Kanzler und seine Berater noch einen geradezu dilettantischen Fehler gemacht. Sie haben Ron Sommer fallen gelassen, ohne einen geeigneten Nachfolger präsentieren zu können. In einem peinlichen Spektakel haben alle ins Spiel gebrachten hochrangigen Manager dankend abgewunken. Nun wird nur noch ein genannt: Gerd Tenzer. Den darf dann auch Stoiber als zweite Wahl bezeichnen. Der Technik-Vorstand der Telekom habe nicht das Format eines international erfahrenen Managers wie Ron Sommer, soll Stoiber öffentlich gesagt haben. Das ist zwar grotesk, unrecht hat er damit aber nicht.

Und am Ende dreht sich noch einmal alles um. Stoiber, der sich zunächst als Anwalt des kleinen Anlegers stark machte, wirft nun dem Kanzler vor, ein Interventionist zu sein. Schröder bemüht sich, nach außen den neoliberalen Puristen zu spielen, der allein den Aufsichtsrat entscheiden lässt, doch alle wissen, dass es nicht so ist.

Den Schaden, der für die Telekom entstanden ist, mag man schon daran ablesen, dass sich die Anrufe irritierter Anleger aus den USA mehren: Darf ein deutscher Bundeskanzler den Vorstandschef eines börsennotierten Unternehmens einfach so absetzen? Hier nimmt der Standort Deutschland als Ganzes Schaden. Nicht zuletzt sitzt dann ab Dienstag auch noch der falsche Mann auf dem Vorstandssessel der Telekom – zum Schaden der ohnehin gebeutelten Aktionäre.

Am Ende haben alle verloren. Es sei denn, am Dienstag geschieht ein Wunder. Und der Aufsichtsrat beendet das unwürdige Gezerre mit einem Votum für Ron Sommer. Wenn man in dem Gremium tatsächlich einen neuen Vorstandschef zum Wohle des Unternehmens benennen will, dann zu einem besseren Zeitpunkt. Nach der Bundestagswahl.

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