zum Hauptinhalt

Meinung: Italien ist zu kreativ

Von Paul Kreiner

Mit seinem Rücktritt hat der italienische Finanzminister das getan, was seine Regierung als Ganzes längst hätte tun müssen: Domenico Siniscalco hat den Bankrott erklärt. Jahrelang hat die Regierung Silvio Berlusconis eine kosmetisch kreative Haushaltspolitik betrieben; Unebenheiten und selbst tiefe Löcher wurden mit viel Paste zugeschmiert; populistische Effekte und Klientelwirtschaft – bis hin zur staatlichen Förderung für den Spitzenfußball – sicherten genehme Schlagzeilen. Steuersünder und Schwarzbauer konnten ihren gesetzwidrigen Zustand gegen geringe Bußgelder legalisieren und wurden gleichzeitig zu weiteren Taten ermuntert: Der nächste Straferlass war immer nur eine Frage der Zeit. In unverschämter Offenheit verlangte man vom Finanzminister nun, die Struktur des Etats 2006 „an den bevorstehenden Parlamentswahlen, nicht an buchhalterischer Technik“ auszurichten. Das wollte der seriöse Finanzfachmann nicht mehr mitmachen. Zudem deckt die Regierung noch stets Notenbankchef Antonio Fazio, der mittlerweile in dem Ruf steht, italienische Banker und Investoren unfair begünstigt zu haben. Nicht nur die bedeutendsten Finanzmedien der Welt, auch EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds sehen Italiens Glaubwürdigkeit stark beeinträchtigt. Dennoch blitzte Siniscalco im Kabinett mehrfach ab, als er wenigstens eine Distanzierung von Fazio anmahnte.

Die Landtagswahlen im Frühjahr hat Berlusconi noch drastischer verloren als die SPD den Urnengang im NordrheinWestfalen. Aber anders als Gerhard Schröder wollte Italiens Premier die notwendigen Konsequenzen nicht ziehen; er entschied sich fürs Durchwursteln. Die Folgen sind tagtäglich zu besichtigen. Die Regierungskoalition streitet nur noch untereinander, wer Spitzenkandidat sein soll im Mai 2006. Aber auch die Opposition könnte derzeit keine funktionstüchtige Regierung auf die Beine stellen. Im Mitte-links-Bündnis ist Romano Prodi noch längst nicht unangefochten. Anders als die SPD, die sich von der Linkspartei abgrenzt, würde Romano Prodi in gut italienischer Manier nach einem Wahlsieg alles zusammenkratzen, was im Parlament zur linken Hälfte zählt. Das sichert Mehrheiten, ist aber auch der Beginn der nächsten Dauer-Koalitionskrise.

-

Zur Startseite