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Meinung: Italiens Rechte: Der Marsch auf Rom

Sage niemand, man habe es nicht kommen sehen. Geradezu gespenstisch spielen sich derzeit in Italien Generalproben für eine rechtsgerichtete Machtübernahme ab, die bald weit über einen demokratischen Regierungswechsel hinausgehen könnte.

Sage niemand, man habe es nicht kommen sehen. Geradezu gespenstisch spielen sich derzeit in Italien Generalproben für eine rechtsgerichtete Machtübernahme ab, die bald weit über einen demokratischen Regierungswechsel hinausgehen könnte.

Da ist ein Medienzar Oppositionsführer, der für den Fall eines - durchaus wahrscheinlichen - Wahlsieges 2001 unverblümt von einer "Säuberung" des Justizapparates spricht, mit dem er seit Jahren auf Kriegsfuß steht. Da sind Berlusconis Alliierte, wie etwa die Nationale Allianz, deren Führungsmitglied Francesco Storace als Präsident der Region Lazio missliebige Schulbücher auf einen Index verbotener Materialien zu setzen beabsichtigt. Und da ist die Lega Nord, die Österreichs Jörg Haider die Ehrenbürgerschaft der von ihr regierten Städte überträgt und Breitseiten gegen die Menschenrechtscharta der EU feuert. Hinzu kommt die Ankündigung einschneidender Gesetze, um die nachgeordneten Institutionen gleichschalten zu können - etwa die Streichung der erst 1993 eingeführten Direktwahl der Bürgermeister, mit dem Ziel, diese wieder ganz von den Stadträten abhängig und damit über die Parteiführungen lenkbar zu machen.

Kein Zweifel - die Rechte hat aus dem Debakel von 1994 gelernt, als sie nach nicht einmal einem Dreivierteljahr die Regierung wieder abgeben musste. Diesmal will sie die einmal errungene Macht sofort für lange Zeit absichern, und keineswegs allein mit demokratischen Mitteln. Dabei stehen die Chancen für eine größere Haltbarkeit der Koalition sowieso schon besser als beim letzten Mal: Die seinerzeit einander diametral entgegengesetzten Partner Berlusconis, die separatistische Lega Nord und die zentralistische Nationale Allianz, sind näher zusammengerückt. Sie haben viele gemeinsame Punkte gefunden - von der xenophoben Ausländerpolitik über die Europa-Aversion bis zur philofaschistischen Revision des Geschichtsbildes. Deshalb wird der von Berlusconi geforderte Spagat diesmal wohl wesentlich kleiner sein als damals.

Und Europa? Nichts, absolut nichts ist von Seiten der EU zu diesen Perspektiven zu hören. Mag sein, diese Zurückhaltung hat mit den Erfahrungen bei den Österreich-Sanktionen zu tun. Vor einem knappen Jahr entschloss man sich rasch zu Maßnahmen gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung - die Aktion endete mit einer veritablen Blamage, protokolliert von den eigens eingesetzten "Weisen" der EU. Ohnehin ist die Zurückhaltung bei Italien größer: ein EG-Gründungsmitglied und den immerhin drittgrößten EU-Staat darf man nicht so herablassend behandeln wie das kleinere und spät beigetretene Österreich. Zwar hatte Kanzler Schröder vor einem halben Jahr gebrummelt, eine rechtsextreme Regierung in Rom wäre problematisch, aber dann wurde das Thema still beerdigt.

Siegt die Rechte um Berlusconi, wird es wohl erneut zu hilflosen vereinzelten Boykott-Aufrufen kommen wie 1994, als ein paar Minister anderer Länder drohten, EU-Sitzungen unter der Leitung von neofaschistischen Kollegen fern zu bleiben - um am Ende doch brummelnd hinzuschlurfen.

Dabei gehören die Italiener zu jenen Völkern, die besonders aufmerksam registrieren, was man über sie berichtet und was man ihnen ankündigt. Sind allerdings einmal Fakten geschaffen, verbitten sie sich Kritik und Einmischungen besonders scharf. Klare Worte muss man hier vorher von sich geben. Und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

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