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Meinung: Jagd nach Erfolgen

Die "Wir-tun-was-Show" beginnt. Unmittelbar nachdem US-Präsident Bush in seiner "Rede an die Nation" die zweite Phase im Kampf gegen den Terrorismus eingeläutet hatte, begann der Einsatz der US-Soldaten im Süden der Philippinen.

Die "Wir-tun-was-Show" beginnt. Unmittelbar nachdem US-Präsident Bush in seiner "Rede an die Nation" die zweite Phase im Kampf gegen den Terrorismus eingeläutet hatte, begann der Einsatz der US-Soldaten im Süden der Philippinen. Die Philippinen sind nicht erstes Ziel im Anti-Terror-Kampf, und es geht wohl nicht um die Abu Sayyaf oder um die Befreiung von zwei amerikanischen Geiseln. Vielmehr geht es darum, zu demonstrieren, dass überhaupt etwas geschieht. Und es geht um die Suche nach Erfolgsmeldungen.

Zum Thema Dokumentation: Kampf gegen Terror Fotos: Osama Bin Laden, Krieg in Afghanistan Nach Afghanistan haben die USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus keine Ziele mehr, die mit Bodentruppen erfolgreich angreifbar sind. Die Länder, in denen Al Qaida-Mitglieder vermutet werden, sind zu groß. Außerdem gibt es in Somalia, Jemen oder Irak kaum lokale Partner und ein Militäreinsatz wäre innerhalb der internationalen Gemeinschaft umstritten.

Die Militäraktion auf den Südphilippinen ist im Vergleich dazu unkompliziert: Das Land ist der engste Verbündete der USA in Südostasien. Das gemeinsame Ziel ist klar, die Abu Sayyaf soll besiegt werden. Ihre Heimat ist überschaubar, die Insel Basilan etwas größer als Berlin, die Nachbarinsel Jolo etwas kleiner. Dass dort den brutalen Gangstern das Handwerk gelegt werden muss, bezweifelt niemand. Warum also nicht der philippinischen Armee helfen? Dass amerikanische und philippinische Soldaten gemeinsam gegen die Abu Sayyaf vorgehen, ist sinnvoll. Weniger überzeugt, wie unverholen dabei gelogen wird und wie kurzsichtig die Militäraktion ist.

Angeblich findet ein Manöver statt, die US-Soldaten seien nur da, um philippinische Truppen zu trainieren, heißt es. Mehr wäre auch nicht mit der philippinischen Verfassung vereinbar. 160 Mitglieder von US-Spezialeinheiten ziehen bewaffnet in ein Kriegsgebiet, 450 weitere US-Soldaten kommen für sechs bis zwölf Monate und bringen Hubschrauber, Transportflugzeuge, Schnellboote, Lkw, Maschinengewehre, Munition und modernes Aufklärungsgerät mit - und die Präsidenten beider Länder wollen der Welt weiß machen, dass nur trainiert wird.

Angeblich hat die Abu Sayyaf Verbindungen zu Osama bin Ladens Al-Qaida-Netzwerk. Warum ist seit 1995 nichts bekannt, was darauf hinwiese? Angeblich geht es auch um die beiden US-Geiseln, die noch in der Gewalt der Abu Sayyaf sind. Warum gab es dann im vergangenen Jahr keine US-Militäraktion, als der Amerikaner Jeffrey Schilling monatelang auf Jolo gefangen war?

Die Abu Sayyaf und das amerikanische Geiselehepaar spielen nur am Rande eine Rolle. Die USA wissen, dass der Afghanistan-Siegestaumel abnehmen wird. Die unangenehme Frage "Wo ist Osama bin Laden?" wird öfter gestellt werden, gute Nachrichten könnten rar und wichtig werden. Nach einem Geheimpapier der philippinischen Armee sind 463 der geschätzten 600 Abu Sayyaf-Mitglieder bereits getötet oder verhaftet. Die Gruppe ist in Fraktionen zerbrochen, die Führer auf Jolo wollen über Frieden verhandeln. Abu Sabaya, der auf Basilan die Amerikaner festhielt, ist so krank, dass er die Geiseln anderen anvertrauen musste. Auf der Zielgeraden springen die US-Soldaten auf den Zug, die heimischen Militärs machen mit, weil sie für 100 Millionen US Dollar Waffen und Gerät geschenkt bekommen.

Niemand fragt, was mit den Menschen auf Basilan und Jolo geschieht. Schon jetzt sind Hunderte tot und Tausende obdachlos. Die philippinische Armee fliegt seit 18 Monaten Luftangriffe. Die (katholischen) Soldaten aus dem Norden und die (muslimischen) Zivilisten sind Feinde. Nun kommen US-Soldaten in ein Gebiet, in dem die Moslems seit Jahrhunderten für ihre Selbstbestimmung kämpfen. Ohne diesen Kampf gäbe es auch die Abu Sayyaf nicht. Ist die Gruppe erledigt, wird bald eine neue Truppe Unzufriedener mit Entführungen Geld verdienen wollen. Ohne wirtschaftliche Entwicklung und gerechten Zugang zu Ämtern und Bildung wird es aber keinen Frieden geben. In Afghanistan hat man früh über die Zeit nach dem Krieg nachgedacht. Hier ist das anders: Hier zählen nur schnelle Erfolgsmeldungen.

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