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Matthias Kalle.

© Privat

Jahresrückblick: Wer war 2011 überhaupt glücklich?

Das Jahr ist noch nicht einmal zu Ende, drei Wochen kommen noch, doch die Inventur hat bereits begonnen, und natürlich kann dabei nur herauskommen, dass es kein gutes Jahr war, wirklich nicht.

Was als arabischer Frühling im Januar begann, scheint sich im November als Welt-Herbst zu entpuppen, die Menschen in Ägypten sind nicht glücklich – aber wer war 2011 überhaupt glücklich? Gab es überhaupt Gründe zum Glück? Es gab die Atomkatastrophe von Fukushima, die Finanzkatastrophe Europas, das Massaker in Norwegen, eine Nazimordserie in Deutschland und und und – und wer also behauptet, das Jahr 2011 sei ein gutes Jahr gewesen, der mag auch die Musik von Hansi Hinterseer.

Oder aber erinnern wir uns nur falsch? In dieser Woche veröffentlichten die sozialen Netzwerke  Facebook und Twitter ihre Listen mit den populärsten Themen und Begriffen ihrer Benutzer. Was war bei denen los? Was interessierte die? Das weltweit größte Thema bei Facebook war demnach 2012 der Tod von Osama Bin Laden – geht man allerdings nur danach, was die deutschen Facebook-Benutzer interessant fanden, landet Bin Laden nur auf Platz 3 – hinter dem Tod von Amy Winehouse und dem EHEC-Virus – kann sich an den eigentlich überhaupt noch jemand erinnern? Auch irre wichtig – jedenfalls für Facebook-Nutzer (und zwar weltweit als auch in Deutschland): Das Computerspiel „Call of Duty: Modern Warfare 3“. Ähnlich beliebt in diesem Jahr waren die Hochzeit von William und Kate, der Tod von Steve Jobs und die große Ego-Show des Charlie Sheen. Bei Twitter aber liegt eine Sache auf Platz eins der meistgetwitterten Ereignisse, die einem die Schamesröte ins Gesicht treibt, weil man da nie, nie, nie drauf gekommen wäre, nämlich der Moment bei den MTV Music Awards, als die Sängerin Beyoncé auf der Bühne stand und sagte, sie sei schwanger. 2011? War da was?

Aber man soll sich immer im Guten trennen – vielleicht gilt dieser Leitsatz nicht nur für die Beziehungen zwischen Menschen, sondern auch für die Beziehungen zwischen Menschen und den Jahren, die sie erleben, also versuche ich diesmal das Unmögliche und wehklage und jammere nicht, denn ein paar Dinge gab es dann doch 2011, die gut waren und richtig und schön.

Erst vor kurzem erschienen, endlich, die Aufnahmen des Beach-Boys-Albums „Smile“, 45 Jahre später, es galt immer als das beste Musikalbum, das nie erschien, und jetzt ist es erscheinen, und jetzt gilt es als größtes Musikalbum, denn die Melodien und die Töne, die Brian Wilson fand, bevor er verrückt wurde, dienen tatsächlich als Gottesbeweis: Wer sein Lied „Wonderful“ hört, ist plötzlich versöhnt mit den Dingen des Lebens. So etwas finde ich dann wichtig, so wie ich es wichtig finde, dass endlich eine CD-Box mit allen Alben der Band The Smiths erschienen ist. Ich fand den Terrence-Malick-Film „The Tree of Life“ wichtig, ich mochte „Mass für Mass“ an der Schaubühne mit dem großen Gerd Voss und dem großen Lars Eidinger.

Ich mochte das Buch „Vorabend“ von Peter Kurzeck  und ich freue mich über „Sand“ von Wolfgang Herrndorf und natürlich über „Blumberg“ von Sibylle Lewitscharoff. Ich finde, dass „Der Gott des Gemetzels“ von Roman Polanski ein toller Film ist, ich bin froh, dass ich jetzt alle Staffeln der US-Serie „The Wire“ gesehen habe, denn die haben mir gezeigt, wozu das Fernsehen fähig ist. Toll ist auch, das Harald Schmidt wieder in Höchstform ist – und keiner kriegt es mit. Ich finde es vollkommen in Ordnung, dass Charlotte Roche von ihrem neuen Buch zwar weniger verkauft als von ihrem ersten, dafür aber mehr Kritikerlob bekommt. Den Aufstieg der Piratenpartei halte ich für interessant.

So. Viel wichtiger ist natürlich allerdings, wie dieses verdammte 2012 wird. Verrate ich Ihnen kommende Woche. Mit dabei: wer Fußballeuropameister wird und wer in Zukunft „Wetten, dass...?“ moderiert.

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