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Jean-Michel Gentil:: „Im Kampf gegen die Korruption sind unsere Waffen in den letzten zehn Jahren entschärft worden“

Der Richter Jean-Michel Gentil hat ein Untersuchungsverfahren gegen Nicolas Sarkozy eingeleitet. Ein Porträt

Sein Name – Gentil – bedeutet „freundlich“. Doch das ist Jean-Michel Gentil ganz und gar nicht. Seine Kollegen beschreiben den 53-jährigen Untersuchungsrichter von Bordeaux als „hart“ und „unerbittlich“. Diese Erfahrung machte jetzt auch Frankreichs früherer Präsident Nicolas Sarkozy, als Gentil in der Affäre um illegale Parteispenden der L’Oréal- Erbin Liliane Bettencourt gegen ihn den Vorwurf erhob, die körperliche und geistige Schwäche der heute 90 Jahre alten Milliardärin zur Finanzierung seines Wahlkampfs 2007 ausgenutzt zu haben. Als der Richter vergangene Woche nach einem neunstündigen Verhör dem Ex-Präsidenten wegen dieses Tatverdachts die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens eröffnete, kam es, wie Sarkozys Anwalt Thierry Herzog bestätigte, zu einer verbalen Konfrontation von ungewöhnlicher Schärfe. Er werde sich diese „große Ungerechtigkeit“ nicht gefallen lassen, habe Sarkozy wütend gesagt. Das habe der Richter als „Beleidigung“ quittiert und den Ex-Präsidenten am Weiterreden gehindert.

Der 58-jährige Sarkozy mag es nach diesem Schlagabtausch sehr bedauert haben, dass es ihm während seiner Amtszeit nicht gelungen war, die Institution des Untersuchungsrichters abzuschaffen. Auf die Richter war er sowieso nie gut zu sprechen, auf die „juges d’instruction“ schon gar nicht. Sie genießen größte Unabhängigkeit. Verdächtige können sie jederzeit in Haft nehmen. Anders als die an Weisungen gebundenen Staatsanwälte können sie ihre Ermittlungen ohne Ansehen der Person führen. Sarkozys Absicht, sie zu entmachten, war von Kritikern als Versuch interpretiert worden, die Justiz stärker an die Leine zu legen. Oder besser noch stärker, wie Gentil vergangenen Juni in einem von vielen Kollegen unterzeichneten Appell klagte: „Im Kampf gegen die Korruption sind unsere Waffen in den letzten zehn Jahren entschärft worden.“

Ganz ohne Waffen ist Richter Gentil in diesem Kraftakt mit Sarkozy keineswegs. Nur vier Tage nach der Veröffentlichung seines Aufrufs hatte er Büros und Privatwohnung des Ex-Präsidenten durchsuchen und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmen lassen. Wegen dieses Vorgehens wirft Sarkozys Anwalt dem Richter Parteilichkeit vor. Die Parteifreunde des Ex-Präsidenten sind mit ihrer Richterschelte weniger zimperlich. Henri Guaino, Sarkozys früherer Redenschreiber, sagte zum Beispiel, Richter Gentil habe „Justiz entehrt“. Der kündigte darauf eine Beleidigungsklage an. Hans-Hagen Bremer

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