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Meinung: JFK II.

Die Vorwahlen hat der Demokrat John Kerry gewonnen, gegen Bush aber noch nicht

Nun liegt es an John Kerry. Nach seinem Durchmarsch bei den Vorwahlen ist er der Herausforderer von George W. Bush. Am 2. November will er der erste Politiker aus Massachusetts und der erste Katholik im Weißen Haus werden, seit dort jener Mann wohnte, mit dem er seine Initialen teilt. JFK. John Fitzgerald Kennedy – oder eben John Forbes Kerry.

Für die Wahl in Amerika wird eine andere Parallele zwischen den beiden JFKs entscheidend sein. Kennedy gewann 1960 hauchdünn, weil er eine Strategie für das ganze Land fuhr. Kennedy, der Kriegsheld aus dem Pazifik während des Zweiten Weltkrieges, sprach Liberale an den Küsten, Schwarze im Süden und jene Jungen an, die sich in den 50er Jahren nicht entfalten konnten. Kerry, der Kriegsheld aus Vietnam, bemüht sich um eine ähnliche Allianz. Es ist ein Bündnis der Mitte mit linken Einsprengseln, aber keine Konterrevolution. Kerry braucht Studenten und Aktivisten ebenso wie Arbeiter, das Bürgertum beider Küsten und den liberalen Teil der Bevölkerung in den Südstaaten und in den Vorstädten. Denn Präsident wird er nur, wenn er eine machtvolle Allianz aushebelt. Jene von Bush. Jene aus Big Business, Konservativen im Süden, Religiösen und Mittelschichts-Vorstädtern, denen an Sicherheit und niedrigen Steuern liegt.

Wie dieses Rennen ausgeht, ist völlig offen. Ein Wahlkampf mit Samthandschuhen wird es nicht. Die aktuellen Umfragen jedenfalls geben keinen Aufschluss über das Ergebnis. Kerry liegt vorn – aber vor 16 Jahren lag auch jener Demokrat vorn, der der letzte Anwärter seiner Partei aus Massachusetts war, Mike Dukakis. Der verlor 1988 klar gegen den alten George Bush. Wenn Kerry nun zu führen scheint, so spiegelt dies lediglich das Interesse seines Landes an dem neuen Politstar. Hinter seinen guten Umfragewerten steckt eher die Dramaturgie eines noch langen Wahljahres denn ein verlässlicher Trend.

Kerrys Stärken, Patriotismus und langjährige Erfahrung, stehen die Schwächen gegenüber. Bush hat viel mehr Spendengeld. Kerrys Eintreten gegen die Todesstrafe, seine widersprüchliche Haltung zur Homo-Ehe und diverse Patzer seiner Frau werden von Bushs Truppen gnadenlos ausgeschlachtet werden. Denn Bush wird versuchen, Kerry als typischen Linken aus Massachusetts zu zeichnen, der das wahre Amerika weder abbildet noch kennt.

Dabei ist Kerry der Kandidat des Establishments, der nun jene Frischluft nutzt, die der gescheiterte Konkurrent Howard Dean in die Politik Amerikas ließ. Kerrys familiärer Hintergrund ähnelt jenem Bushs auf verblüffende Weise: Der Vater war für die USA im diplomatischen Auslandseinsatz, er selbst Millionär schon bei der Geburt, Elitezögling der besten Internate und Hochschulen – ein Volkstribun ist Kerry nicht. Doch genau den wird er nun spielen müssen.

Nach dem „Super Tuesday“ steht indes nicht nur ein Spitzenmann fest – neu ist auch seine Partei. Festgefügte Apparate, bei denen Gremienbeschlüsse bindend sind und Kandidaten hinter verschlossenen Türen herbeigemauschelt werden, kennt Amerika nicht. Deutschland besichtigt beim Ringen um die Rau-Nachfolge gerade die Schattenseiten seines Auswahlprinzips. Amerika geht hier völlig anders vor. Die jeweilige Opposition macht im Kongress ihre Arbeit – doch zu wahrem Leben erwacht sie erst, wenn es ums Weiße Haus geht. Kerry ist nun nicht nur der unangefochtene Führer der US-Demokraten, er ist auch jener, der die Partei nach eigenem Gutdünken zu seiner Kampfmaschine umbauen kann.

Sollte er siegen, hätte Europa wohl einen Partner, der verbindlicher in der Form auftritt. Doch ein radikaler Schwenk bei den Inhalten wäre nicht zu erwarten. Und es gibt sogar Themen, bei denen Amerikas Alliierte mit Republikanern besser fahren. Aber vielleicht war Kerrys Kampagne gegen den Freihandel ja nur eine Notwendigkeit jenes innerparteilichen Ringens, das nun endet.

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