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Beim Mauerfall-Gedenken: Biermann und Gauck

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Joachim Gauck, Wolf Biermann und die Linke: Elende Reste

Wolf Biermann und Joachim Gauck: Die Neigung, den politischen Gegner an die Wand zu drücken, sobald man ihm überlegen ist, steht regelmäßig am Beginn des nächsten Konflikts. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Zum elenden Rest dessen, was noch nicht überwunden ist, gehört die einfältige Art und Weise über Politik, die Geschichte oder das Recht zu reden: Es gibt nur Sieg oder Niederlage, Gewinner und Verlierer. Ich Rechtsstaat, du Unrechtsstaat, ich Freiheit, du Gefängnis. Es mögen Kategorien sein, die schwierige Dinge einfach machen, nur leider lösen sie damit weder Probleme noch Konfrontationen. Im Gegenteil, die Neigung, den politischen Gegner an die Wand zu drücken, sobald man ihm überlegen ist, steht regelmäßig am Beginn des nächsten Konflikts. Im Großen und teils Schrecklichen ist das zu besichtigen in den Ländern der Post-Arabellion, voran Ägypten, wie auch im Irak, wo der Druck herrschender Schiiten den sunnitischen Terror des IS mit entfesselte.

Wir haben solche Nöte nicht, wir haben nur die Linkspartei. Die Drachenbrut-Rede Wolf Biermanns im Bundestag war nach rezensentischen Kriterien ein origineller Routinebruch. Aber inhaltlich? Da sitzen sie eben, im Bundestag, und wollen nicht mal verschwinden, wenn ein Biermann zur Gitarre greift und von sich behauptet, er habe eine Diktatur „zersungen“. Wieso klappt es jetzt nicht mehr? Vermutlich, weil selbst den tapfersten Drachentötern auf den mühsamen Wegen der demokratischen Ebene irgendwann die Puste ausgehen würde. Revolution ist toll, aber der schwierige Job kommt danach.

Die Botschaft ist so erwartbar wie offenkundig: Die Linke an einer Regierung, das ist igitt

Einer, der einen erwiesen langen Atem hat, ist der Bundespräsident, der sich nicht erst mit seinem Anti-Ramelow-Einwurf auf eine Umkehr des Mottos seines Vorvorvorgängers Johannes Rau festgelegt zu haben scheint, wonach man versöhnen solle, statt zu spalten. Spalten macht erstens mehr Spaß und garantiert zweitens Beifall, jedenfalls derer, die sich zu den Siegern zählen. Man würde Interventionen aus dem hohen Amt gerne als politischen Denkanstoß behandeln, wenn sie einer wären. Aber selbst in rhetorischer Frageform ist die Botschaft so erwartbar wie offenkundig: Die Linke an einer Regierung, das ist igitt.

Den Bundespräsidenten an die Verfassung zu erinnern, dürfte sinnlos sein. Sie verlangt, so hat das zuständige Gericht geurteilt, keineswegs, dass er sich am neutralen Leitbild des Amtes orientiert. Allerdings heißt es auch: „Der Bundespräsident steht in keinerlei Hinsicht ,über dem Gesetz’“. Daran erinnert auch ein jetzt bekannt gewordenes Bundestagsgutachten, wonach der Präsident aufpassen muss, keine „Nebenaußenpolitik“ zu betreiben. Gerne würde man wissen, wozu sich Gauck dadurch genau verpflichtet fühlt. Doch das Bundespräsidialamt hält seine Interpretation dieser Maßgaben für ein Staatsgeheimnis, das geschützt gehört.

Das Recht markiert den Rahmen, es setzt unüberschreitbare Grenzen. Aber es kann mehr. Indem es Grenzen zieht, zeigt es, wo die Mitte ist. Kein schlechter Ort, jedenfalls für Präsidenten.

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