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Joschka Fischers Autobiografie: Nicht nur Rock ’n’ Roll

Joschka Fischers Bilanz über den eigenen Laden, die Grünen, fällt wenig milde aus.

Mit einer Serenade ist am Dienstagabend Edmund Stoiber aus seinem Amt als bayerischer Ministerpräsident verabschiedet worden. Die Militärkapelle hat auf seinen Wunsch hin „Let it be“ gespielt. Der Beatles-Song ist melodiös indes zu unverdächtig, als dass der Bayer damit auf seine alten Tage ernsthaft beanspruchen könnte, der letzte Rock ’n’ Roller der Politik zu sein. Wirklich nicht. Der Titel ist ohnedies vergeben. Joschka Fischer hat ihn einst für sich reklamiert, im Selbsternennungsverfahren, was das Etikett nicht unglaubwürdiger macht, ganz und gar nicht. Ein Schuss Revolutionsromantik war, wenn nicht immer, dann doch sehr lange Zeit als Antriebsfeder dabei – und sie war ihm Kraftspender genug, den Kampf gegen jene Konservativen bestehen zu können, die eine Ewigkeit lang überzeugt waren, dass es für sie so etwas wie ein Naturrecht auf Kabinettsposten gibt.

Fischer war es, der dieses Naturrecht außer Kraft gesetzt hat. Nicht er allein, aber ohne ihn wäre es nicht gegangen. Er war es, der die Republik mit sich selbst versöhnt hat – ja, ein Staat, der es schafft, Leute mit einer Biografie wie der Fischers zum Außenminister zu machen, der kann so schlecht nicht sein. Und wer hier nun aufschreit, bitte sehr, klammheimlichen Respekt wird er dem in seiner neuen Rolle als Staatsmann aufgegangenen Fischer von Zeit zu Zeit nicht versagt haben können.

Es ist Zufall, dass in diesen Tagen sich gleich zwei Alphatiere aus der Politik, nun, irgendwie verabschieden – aber wohl keiner, dass man das Gefühl hat, nur einer davon habe noch etwas zu sagen. Am heutigen Donnerstag kommt Fischers Autobiografie in den Handel, Teil 1. Das Brimborium, das darum gemacht wird, ist immens, fischertypisch, das eigene Ego sorgsam bepinselnd. Es hat aber auch damit zu tun, dass seine Bilanz über die rot-grüne Episode, die so gerne Epoche hätte sein wollen, aussteht. Was den eigenen Laden, die Grünen, angeht, so fällt sie so milde nicht aus. Sie, die ihm Heimat immer nur halb waren, haben ihn müde gemacht, was, wie schon die Stones wussten, in jeder Hinsicht bedauerlich ist: It's only Rock ’n’ Roll, but I like it.

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