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Josef Joffe: Die Welt freut sich über Cyberkriege

ZEIT-Herausgeber Josef Joffe über die Bedeutung von Viren, Würmern, Literatur- und andere Nobelpreisträger und den Islam.

Der Computervirus Stuxnet attackiert Irans Atomprogramm. Lässt sich Frieden schaffen mit immer klügeren Waffen?

Schön wär’s: kein Einmarsch, kein Blutvergießen – und der Feind streckt die Waffen. Richtig aber ist, dass Cyberkrieg längst zum Arsenal der Staaten gehört. Denken wir an die Russen, die den estnischen Präsidenten-Palast mit E-Mail-Bomben zugedeckelt haben. Der Staatschef stieg dann auf seine AOL-Adresse um. Etwas besser funktioniert es in Iran, wo die Dienste Amerikas und Israels einige taktische Erfolge verbuchen konnten. Zum Beispiel haben sie die Anreicherungszentrifugen in Natanz so umprogrammiert, dass sie sich selber beschädigten. Viren und Würmer sind digitale Versionen der guten alten Sabotage, die so alt ist wie der Krieg. Entscheiden kann sie den nicht.

Wieso kriegt Mario Vargas Llosa den Literatur-Nobelpreis? Der Mann ist ein Marktliberaler, der sogar den Krieg gegen die „monströse Diktatur“ des Saddam Hussein befürwortet hat.

Das ist in der Tat bemerkenswert, neigt doch das Nobel-Komitee sonst eher den korrekt denkenden Literaten zu. Doch erinnert sich WmdW an Vargas Llosas Bücher, in denen er vorweg die Militärdiktatoren Lateinamerikas attackiert hat. 2001 schrieb er: „Nichts schützt Menschen besser gegen Vorurteil, Rassismus und Ultra-Nationalismus als die Wahrheit, die alle große Literatur ausmacht: dass alle Menschen im wesentlichen gleich sind.“ Zu loben ist auch der Friedenspreis für den Dissidenten Liu Xiaobo – obwohl Peking Vergeltung angedroht hatte. Deshalb kriegt China den Nobel für Brutalo-Diplomatie.

Bundespräsident Christian Wulff sagt, auch der Islam gehöre inzwischen zu Deutschland. Hat er recht?

Wie denn nicht, wenn in D an die vier Millionen Muslime leben? Das ist wieder ein sehr deutscher Streit. Wer die „christlich-jüdischen Wurzeln“ des GG betont, nimmt doch den Islam automatisch mit auf, denn der ist Moses plus Jesus plus arabische Stammeskultur. Außerdem stammt Ischmael von Abraham ab; also gibt’s sozusagen ein gemeinsames „Gen“. Was ist „deutsch“? Ganz knapp: GG, BGB und StGB. Wer die Werte, die dahinterstehen, akzeptiert, ist drin. Religion hat nichts mit Staatsangehörigkeit zu tun. Das war einmal und ist vorbei, endgültig.

Ein Wort zu Amerika ...

Vergangene Woche stürzte der Dollar ab – sogar gegenüber dem israelischen Schekel und dem südafrikanischen Rand. Warum? Weil die Fed mal wieder kräftig Geld in den Kreislauf gepumpt hat, um die Konjunktur aufzupäppeln. Leider hilft das dem US-Export nicht, weil außer Japan die wichtigsten Konkurrenten in Asien, vorweg China, ihre Währung an den Dollar koppeln, um so den US-Markt zu halten.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“ und lehrt bis Ende des Jahres an der Stanford University.

Die Fragen stellte Malte Lehming.

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