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Jugendliche Testkäufer: Kontrollen gegen die Bewusstlosigkeit

Immer mehr Jugendliche betrinken sich bis zur Bewusstlosigkeit. Um sie vor Alkohol zu schützen, muss es auch minderjährige Testkäufer geben.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir sollten Jugendliche keinesfalls „zur Hinterhältigkeit erziehen“. Und wir sollten sie auch nicht als „Hilfssheriffs“ losschicken, als „Lockvögel“ missbrauchen und zu „Spitzeldiensten“ einsetzen. Da sind wir ganz beim Kinderschutzbund, bei Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm und wie die Warner alle heißen. Die Frage ist nur, ob Warnungen solcher Vehemenz im speziellen Fall angemessen sind. Und ob die Vehemenz nicht ganz woanders hingehört.

Worum geht es? Am Donnerstag sprachen Deutschlands Innenminister darüber, ob man im Kampf gegen den zunehmenden Alkoholmissbrauch Minderjähriger nicht auch jugendliche Testkäufer einsetzen sollte. Die Bundesfamilienministerin war vor zwei Jahren mit einem solchen Vorstoß gescheitert. Die Proteste waren zu groß, und sie liefen auf dasselbe Argument hinaus: Im Bemühen, dem Jugendschutz Geltung zu verschaffen, höhle man ihn aus. Man dürfe Jugendliche nicht „benutzen“ – auch nicht, um verantwortungslose Kioskbetreiber und Supermarktkassierer zu stellen, denen beim Verkauf von Alkohol das Alter ihrer Kundschaft schnurzegal ist.

Während sich professionelle Jugendschützer also um die mögliche Instrumentalisierung ihrer Schützlinge sorgen, wächst das Problem mit den anderen. Immer mehr Jugendliche betrinken sich bis zur Bewusstlosigkeit. Die Klinikeinweisungen von Minderjährigen mit gefährlichem Vollrausch stiegen in vier Jahren um 36 Prozent. 23 000 waren es im Jahr 2007, die jüngsten waren gerade zwölf Jahre alt. Fast jedem zehnten 12- bis 17-Jährigen bescheinigen Experten inzwischen riskanten oder gefährlichen Alkoholkonsum.

Das alles hat sehr viel mit dem Zustand unserer Gesellschaft zu tun. Mit Leistungs- und Konformitätsdruck, seelenlosen Elternhäusern, dem Feier- und Trinkverhalten von Erwachsenen, der allgegenwärtigen Verharmlosung der Droge Alkohol. Doch allein darauf zu verweisen, ist billig. Minderjährige betrinken sich auch deshalb, weil Erwachsene damit ihr Geschäft machen. Gerade erst hat eine Studie ergeben, dass sich Jugendliche, die häufig mit Alkoholreklame in Kontakt kommen, doppelt so oft ins Koma saufen wie Altersgenossen mit wenigen Werbekontakten. Und die Ergebnisse bisheriger Testkäufe sind erschreckend: Teilweise sei Jugendlichen bei vier von fünf Versuchen Alkohol ausgehändigt worden, berichtet der Bremer Innensenator.

Offenbar funktionieren manche Gesetze nur, wenn dahinter die Furcht steht, bei Zuwiderhandlung entdeckt zu werden. Das mag man bedauern, aber man muss es zur Kenntnis nehmen. Und handeln. Kinder und Jugendliche stehen unter staatlichem Schutz. Es spricht nichts dagegen, an diesem Schutz auch jugendliche, speziell vorbereitete und von Erwachsenen begleitete Polizeischüler mitwirken zu lassen. Hinterhältig sind nicht die Kontrolleure, sondern diejenigen, die sich bei fehlender Kontrolle nicht um Gesetze scheren.

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