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Meinung: Jungbrunnen aus dem Mäuselabor

Wie unser Leben eines Tages medikamentös verlängert werden kann

Alexander S. Kekulé Yoda wurde vier Jahre und 12 Tage alt. Als er im April vergangenen Jahres starb, war die Freude groß: Das Nagermännchen hatte mehr als doppelt so lange gelebt wie normale Labormäuse. Warum das Tier im Institut für Altersforschung der Universität von Michigan diese gewaltige Leistung – entsprechend 136 Menschenjahren – vollbrachte, wissen die Mäusegötter. Sicher ist nur, dass es eine genetisch bedingte Unterproduktion des Hunger erzeugenden Hormons Insulin hatte. Deshalb fraß die „älteste Maus der Welt“ wenig und wog nur halb so viel wie ihre Artgenossen. Wegen seines Aussehens wurde der Kretin mit den Riesenohren nach dem runzeligen Jedi-Meister aus „Star Wars“ benannt, dem mit 900 Jahren unerreichten Vorbild aller Alterungsforscher.

Kürzlich kamen Wissenschaftler der Universität von Texas dann dem Geheimnis des ewigen Mäuselebens ein gutes Stück näher. Sie konnten zeigen, dass ein anderes Hormon die Lebenserwartung der Nager um etwa ein Drittel verlängern kann. Das Hormon „Klotho“ bremst das Altern durch Blockierung der Wirkung von Insulin – also offenbar über denselben Mechanismus, der auch der Methusalem-Maus Yoda zu biblischem Alter verholfen hatte.

Dass eine Drosselung der Insulinwirkung das Leben verlängern kann, ist von vielen Tierarten bekannt. Das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Hormon sorgt dafür, dass Glukose (Traubenzucker) vom Blut in die Zellen gelangen kann. Die Zellen brauchen Glukose als Treibstoff für Muskelarbeit, Nerventätigkeit und Körperwachstum. Wenn das Anti- Aging-Hormon Klotho die Insulinwirkung hemmt, kommt weniger Glukose in die Zellen: Die Kraftstoffzufuhr wird gedrosselt, das Leben brennt auf Sparflamme. Dass Mäuse und Menschen mit dieser Sparflamme länger leben, hat zwei Gründe. Erstens fördert Insulin auch die Umwandlung von Glukose in Fett und damit die Entstehung von Übergewicht und Gefäßverkalkung. Zweitens entstehen bei der Energiegewinnung aus Glukose hochgiftige Abfallprodukte, die „freien Radikale“. Die allmähliche Zerstörung der Erbsubstanz (DNA) der Zellen durch freie Radikale ist einer der Hauptgründe, warum alle Lebewesen altern und sterben müssen. Werden diese Abgase der Lebensflamme reduziert, verlängert sich die Lebenserwartung.

Genau diese Wirkung haben die texanischen Forscher jetzt bei Klotho ausgemacht: Das Hormon bremst die Verbrennung von Glukose in den Zellen und verringert die Menge an freien Radikalen. Damit steht erstmalig eine Substanz zur Verfügung, deren Verabreichung theoretisch das Altern verlangsamen könnte. Nicht zufällig trägt das Hormon den Namen der Schicksalsgöttin Klotho, die in der griechischem Mythologie den Lebensfaden spinnt. Ob die Verlängerung des Lebensfadens beim Menschen funktioniert und welche Nebenwirkungen damit verbunden wären, steht noch in den Sternen. Dass das göttliche Prinzip jedoch in teuren und mehr oder minder seriösen Kosmetikprodukten zur Anwendung kommen wird, darf als sicher gelten.

Dabei gäbe es einen durchaus irdischen Weg, die Erkenntnisse der Mäuseforschung als Jungbrunnen zu nutzen: Kalorien sparen und viel bewegen. Durch verringerte Zufuhr von Brennstoff – sprich: Kalorien – lässt sich die Verbrennung von Glukose und damit die Bildung von Radikalen nämlich noch besser drosseln als mit Klotho. Versuche mit Mäusen und zahlreichen anderen Säugetieren haben längst bewiesen, dass kalorienarme Ernährung das Leben verlängert und Alterserscheinungen vorbeugt. Auf Diät gesetzte Mäuse bekamen weniger Gefäßverkalkung und Arthrose. Sie wurden sogar älter als Yoda, ohne wie dieser unter Zwergwuchs leiden zu müssen. Doch die einfache Zauberformel „Friss die Hälfte“ scheitert wohl an der Natur des menschlichen Fleisches – dann doch lieber warten, bis die Pille gegen das Altern kommt.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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