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Kabinettsumbau: Wie eine Machiavella

Die Bundeskanzlerin hat die Fähigkeit, den günstigen Moment kalkuliert beim Schopfe zu packen. Doch Merkel hat nicht nur Konkurrenten unter den Mächtigen, sondern ein Volk. Und das macht sich womöglich einen eigenen Reim auf die neuen Gesichter.

Erst ist Angela Merkel der Start ihrer Koalition missglückt, dann kam noch Pech dazu. Auf den undeutlichen Koalitionsvertrag und den anschließenden Interpretationsstreit folgte der Rücktritt von Franz Josef Jung. Unumgänglich, ungeplant – und der Moment für einen zweiten Eröffnungszug. Neustart nach vier Wochen: Mit der Ministerinnen-Rochade wirft die Bundeskanzlerin neue Kleider über ihre Koalition, der das politische Gerüst fehlt.

Ein Minister geht, der es nur geblieben ist, weil einer aus der hessischen CDU am Kabinettstisch sitzen muss. Die verdiente Ministerin von der Leyen wird nun doch aufgewertet, was sie sich schon bei der Regierungsbildung erhofft hatte. Mit Kristina Köhler kommt ein weiteres weibliches Gesicht, und ein junges dazu. Auf den zurückgetretenen Ex-Verteidigungsminister war ohnehin keine Erwartung gerichtet, statt einer latent unzufriedenen von der Leyen hat Merkel jetzt eine rührige Arbeitsministerin. Und eine 32-jährige Frauen- und Familienministerin dürfte die öffentliche Fantasie hinreichend beschäftigen, um die Aufregung über das Betreuungsgeld zu dämpfen. Hessen kann sich nicht beklagen; erwarten kann Roland Koch aber auch nichts mehr, was Merkel wiederum recht ist.

Es lohnt sich eben auch heute, bei Machiavelli nachzuschlagen. Merkel hat die Fähigkeit, den günstigen Moment kalkuliert beim Schopfe zu packen. Doch dem Fürsten konnte egal sein, was die raffinierteste Machttaktik in einer Demokratie gelegentlich zum riskanten Unternehmen macht. Merkel hat nicht nur Konkurrenten unter den Mächtigen, sondern ein Volk. Und das macht sich womöglich einen eigenen Reim auf die neuen Gesichter. Und dann tritt neben die Wertschätzung, die von der Leyens Amtswechsel begleiten mag, das Erstaunen über die Regelung im Familienministerium.

Dabei ist das geringere Problem, dass die Personalie Köhler vom parteitaktischen Proporz gelenkt wurde, der zwingend eine Besetzung aus Hessen verlangte. Einst war es Merkel selbst, danach Claudia Nolte, die in diesem Amt als junge Nachwuchskräfte üben durften. Weder sie selbst noch Nolte haben seinerzeit viel bewegt. Deutlicher konnte die Bundeskanzlerin kaum sagen, dass das Ministerium wieder die Bedeutung dieser Nebensache haben soll. Eine 32-jährige Ministerin mit einer reinen Politikkarriere soll nun ein Feld beackern, auf dem die von ihr Regierten besser mitreden können als sie selbst. Familie, Kinder, Frauen, das sind Themen, bei denen sich die Menschen von der Politik kein X für ein U vormachen lassen. Ähnlich resistent gegen Inszenierungen, hinter denen nichts steckt, sind die Menschen hierzulande nur noch beim benachbarten Thema Bildung.

Eine bloße Inszenierung, hinter der zunächst gar nichts stecken kann, ist die neue Familienministerin. Nachdem von der Leyen mit Elterngeld und Betreuungsausbau handfest die wichtigste Mission erledigt hat, nämlich das Frauen- und Familienbild der CDU zu modernisieren, wird die Neue auf die Sprengsätze aus dem Nachlass gesetzt. Der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bis 2013 ist noch nicht gesichert. Da muss ohnehin schon ein harter Kampf um Geld und Zuständigkeiten gemeistert werden. Vor allem aber enthält der Koalitionsvertrag die ideologische Rache der CSU für das neue Familienbild. Ein Rätsel, wie die unerfahrene Ministerin den Konflikt um das Betreuungsgeld lösen soll, bei dem die Bundeskanzlerin selbst schon reichlich Verwirrung gestiftet hat.

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