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Meinung: Kalkül der Krise

Von Charles A. Landsmann Ariel Scharon ist ein Machtmensch.

Von Charles A. Landsmann

Ariel Scharon ist ein Machtmensch. Zwar spricht er gerne von der Sicherheit für Staat und Bürger, noch lieber baut er neue Siedlungen und alte aus, doch letztlich kämpft der bullige Ex-General allein um seine Macht.

Letzte Woche hat er seinen hinterhältigen internen Rivalen Benjamin Netanjahu formell siegen und tatsächlich in die von diesem selbst gestellte Falle hineintrampeln lassen: indem zwar das Likud-Zentralkomitee sich gegen einen Staat Palästina aussprach, aber der Manipulator „Bibi" Netanjahu gleichzeitig das Vertrauen der Likud-Wähler verlor. Nun hat der so gestärkte und sehr selbstbewusste Regierungschef die Schwesterpartei Schas aus der Regierung geworfen, weil sie ihre Zustimmung zum neuesten Notprogramm für die krisengeschüttelte Wirtschaft verweigerte.

Noch sind die Ministerentlassungen nicht endgültig und vielleicht findet Schas, wenn sie doch durch die Türe hinausfliegt, bald wieder ein offenes Fenster, um ins Regierungsgebäude zurückzukehren. Doch Scharon hat ein unübersehbares Zeichen gesetzt, ein Wegzeichen Richtung Neuwahlen. Natürlich lässt er erklären, schon frühere von seiner Likud-Partei geführte Regierungen hätten lange Zeit mit formell nur einer Stimme Mehrheit regiert und wichtige Entscheidungen getroffen, weshalb er auch mit 60 der 120 Abgeordneten im Rücken weiter an der Macht bleibe. Doch Scharon weiß, dass vorzeitige Neuwahlen unumgänglich sind, auch wenn er vorübergehend seine Regierung durch den Zuzug der Nationalisten oder der antiklerikalen Zentrumspartei, oder durch die Rückkehr von Schas erweitern kann.

Einiges deutet darauf hin, dass Scharon diese Neuwahlen will – allen gegenteiligen Versicherungen zum Trotz. Wird noch dieses Jahr gewählt, so kann er sich auf die durch die Militäroffensive „Operation Schutzwall“ wiedergewonnene Popularität stützen und die überraschende Schwäche Netanjahus ausnützen, der sich nach dem selbst verpassten KO-Schlag erst wieder aufrappeln muss und wohl keine kampfbereite Organisation in kurzer Zeit auf die Beine stellen kann.

Sowohl die Nationalistische Rechte als auch die Arbeitspartei letzte Woche bei ihrer Programmdebatte haben klargestellt, dass sie den baldigen Regierungssturz anstreben – wobei die Arbeitspartei allerdings diese zuerst verlassen muss. Die Nationalisten fordern noch mehr Siedlungen, die Arbeitspartei genau das Gegenteil, nämlich einen durch einen Grenzzaun von Israel abgetrennten Staat Palästina, in dem es keine Siedlungen mehr geben würde.

Lange Zeit gelang Scharon, der Balanceakt zwischen den beiden entgegengesetzten Positionen, doch nun droht ihm das Arbeitspartei-Ultimatum: Entweder Grenzzaun oder eine derart rechtslastige Regierung ohne Arbeitspartei, dass sie im Ausland in Verruf und Isolation geraten und – da das notwendige linke Gegengewicht fehlt – das Gleichgewicht verlieren und stürzen würde.

Scharons eigener, von der Regierung genehmigter Plan von Pufferzonen im Westjordanland zum Schutz des israelischen Staatsgebietes ist eine Totgeburt. Mit ihm wollte Scharon die Siedler und ihre parlamentarischen Vertreter beruhigen, um sie auf seiner Seite halten zu können – mehr nicht. Anders als die Schas-Führung hat Scharon nicht vergessen, dass in Israel jede Wahl nach außen- und sicherheitspolitischen Kriterien entschieden wird und niemals wegen sozialer Fragen und wirtschaftlicher Probleme.

Kommt es relativ schnell zu Wahlen, so heißt deren Sieger Scharon und sein Likud. Die Arbeitspartei und auch die durch Skandale angeschlagene Schas–Partei werden die Verlierer sein.

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