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Meinung: Kampf gegen den Terror: Wie der Krieg aussieht

Am 11. September gingen Bilder um die Welt, die aussahen wie Krieg.

Am 11. September gingen Bilder um die Welt, die aussahen wie Krieg. Bilder, die rund um den Globus Angst vor einem neuen Weltkrieg hervorriefen. Völkerrechtler und Friedensforscher aber belehren uns, den Angriff auf New York solle man trotz Tausender Toter und unfassbarer Zerstörungen nicht Krieg nennen; nach ihrer Definition müssen auf mindestens einer Seite reguläre Truppen einer Regierung beteiligt sein. Doch die Definitionsmacht, wann Krieg ist und wann nicht, haben nicht die Akademiker, sondern - CNN.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Militärische Reaktionen: Die Vorbereitungen auf einen Gegenschlag Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Nun hat die US-Regierung bestätigt, dass amerikanische Militäreinheiten bereits in Afghanistan operieren. Wissenschaftlich gesehen, hat damit Amerikas Krieg gegen den Terrorismus begonnen. Aber es sieht nicht aus wie Krieg. Es fehlen die Bilder. Kein nächtlicher Feuerschein über Städten, in dem schemenhaft Marschflugkörper zu sehen sind, wie beim Angriff auf Bagdad.

Ist das also gar kein Krieg, sondern eher eine Art Polizeioperation - heute gegen Terrornetze so wie früher gegen Drogenkartelle? Oder ist es doch Krieg, nur eben der erste moderne ohne Bilder? Weil es kein Krieg der Panzerarmeen und massenhaften Luftangriffe ist, sondern low profile : ein Krieg geringer Intensität mit Spezialeinheiten und Geheimoperationen. Auf den hat Präsident Bush sein Volk eingestimmt: Einige Siege werden ohne Öffentlichkeit errungen, andere werden deutlich zu sehen sein. - Siege? Die gibt es vorerst nicht. Glaubwürdige Information ebenso wenig. Die USA haben weder ein Interesse, bin Laden vorzuwarnen, noch eines, ihre Bürger spüren zu lassen, wenn ihre Operationen wochenlang erfolglos verlaufen.

Die Bilder werden jedoch nicht auf Dauer ausbleiben. Nicht etwa, weil mutige Journalisten die Informationsfreiheit durchsetzen, sondern weil Bush irgendwann Bilder braucht. Einen Krieg, der nie im Fernsehen auftaucht, kann man nicht gewinnen. Bilder werden zu einem Teil der Kriegsführung, sogar - zum dritten Kriegsziel. Die beiden anderen: Bin Laden ergreifen und eine Wiederholung der Anschläge verhindern. Bilder sind psychologisch entscheidend. Sie sollen irgendeinen Erfolg dokumentieren, obwohl gar keine raschen spektakulären Erfolge zu erwarten sind. Sollen den US-Bürgern zeigen: Wir tun was. Und den Gegner abschrecken: Wir kriegen dich. Es werden wohl keine Bilder von Feldschlachten und zerstörten gegnerischen Stellungen sein. Und es werden hässliche Bilder dabei sein, die Amerika beruhigen, aber uns in Europa verstören.

Krieg der Bilder - darauf setzen auch die Terroristen und alle, die Zielscheibe der USA sein könnten. Somalia ist eine Warnung: Die Bilder eines durch den Staub geschleiften US-Soldaten genügten, damit Amerikas Öffentlichkeit den Abzug forderte. Im Bürgerkriegsland Afghanistan gibt es genügend Trümmer und Leichen, die sich zur Propagandawaffe gegen Amerika machen lassen. Kurz nach der Nachricht vom Beginn der Operationen behauptete ein arabischer TV-Sender, die Taliban hätten drei US-Soldaten gefangengenommen. Dies wird ein Krieg der Gerüchte und Falschmeldungen. Der neue low profile-Feldzug dürfte Amerika und seinen Verbündeten mehr Nervenstärke abverlangen als die Kriege des vergangenen Jahrhunderts.

low profile

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