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Appellierte im Tagesspiegel an den Bürgersinn der Berliner. Was wie eine Sonntagspredigt klingt, darf ruhig einmal ernst genommen werden.

© dapd

Kampf gegen Verwahrlosung: Frank Henkel ernst nehmen

Zweckentfremdung, Verwahrlosung, Lärm: Wann immer es in Berlin ein Problem im täglichen Miteinander gibt, werden Rufe nach Regulierung laut. Statt aber mehr Bürokratie zu fordern, sollten wir Bürger uns auf unsere Stärken besinnen.

Von Markus Hesselmann

Es klang wie die übliche Politikerlyrik, als Frank Henkel im Tagesspiegel gerade eine „Rückbesinnung“ forderte „auf das Bewusstsein, dass diese Stadt den Berlinerinnen und Berlinern gehört“. Solche Sätze lassen wir gern an uns vorbeirauschen. „Es ist ihr öffentlicher Raum, der verschmutzt, verwahrlost oder zu einem Angstraum wird. Ich möchte ihnen sagen: Es ist eure Stadt“, sagt der neue Innensenator. Nehmen wird das aber doch mal ernst. Das Interview ist ja eines der ersten Lebenszeichen des rot-schwarzen Senats, der nun schon fast 100 Tage im Amt ist. Was will sie eigentlich, die neue Landesregierung, fragen sich viele Bürger. Was ist ihre Botschaft? Vielleicht versucht sie es mal mit der Wahrheit: Berlin hat kein Geld, das ist der Hintergrund, vor dem Politik hier stattfindet. Das ist der Hintergrund, vor dem Themen wie Verwahrlosung diskutiert werden müssen. Und das ist der Hintergrund, vor dem Henkels wohlfeil klingende Sätze Nachdruck erhalten. Wir Bürger werden uns wohl oder übel stärker einbringen müssen, wenn wir ein lebenswertes Wohnumfeld wollen. Ein Grundsatz, den Henkel und Co. künftig noch offensiver vertreten sollten.

Zum Beispiel beim Aufregerthema der Woche, der Vermietung von Wohnungen an Feriengäste. Wegen des rücksichtslosen Verhaltens des touristischen Partyvölkchens, das gern in solche Wohnungen einfällt, geht es dabei auch um Verwahrlosung. Jedenfalls nehmen die Menschen, die in der Nachbarschaft leben, die Dauerfeierei mit entsprechenden Folgen – Müll, Lärm, Zerstörung – als solche wahr.

Es gibt aber gute Gründe, Eigentümern und Mietern die Freiheit zu lassen, ihre Räume Touristen gegen Geld zur Verfügung zu stellen. Berlin braucht Tourismus, eine der wenigen Branchen, die hier funktionieren. Und es tut der Metropole über das Wirtschaftliche hinaus gut, sich vor internationalem Publikum beweisen zu müssen. Das schützt vor Rückfällen in West- und Ost-Berliner Provinzialismus. Die jungen Touristen, die Ferienwohnungen buchen, sind außerdem die besten Stadtwerber. Sie empfehlen Berlin weiter und kommen noch viele Male selbst wieder, wenn es ihnen gefallen hat.

Jedes Versprechen wäre unredlich, man könnte durch neue Regelungen erfolgreich eingreifen. Sie bedeuten vor allem Bürokratie: Es muss dokumentiert, kontrolliert, sanktioniert werden. Die Ordnungsämter der klammen Berliner Bezirke sind aber jetzt schon personell überfordert.

Da bleiben am Ende tatsächlich nur wir selbst. Mein Haus, mein Kiez, meine Stadt. Es klingt banal, aber viele Menschen im oft kommunikationsarmen Berlin wirken überrascht, wenn man sie darauf hinweist: Wenn jemand lärmt, dann hilft es meist schon, ihn anzusprechen. Und es ist nicht verboten, im Hausflur mal einen freundlich formulierten Zettel, am besten gleich auch auf Englisch, aufzuhängen, um auf menschliche Ruhebedürfnisse hinzuweisen. Auch Touristen sind keine Monster. Wenn das nicht fruchtet, können sich Hausgemeinschaften zusammentun und Vermieter ins Gebet nehmen. Das stärkt den Zusammenhalt der Nachbarn und bringt soziale Kontrolle auch gegen andere Rücksichtslosigkeiten – ohne dass das in ein Blockwartwesen ausartet. Führt das alles zu nichts, kann die Miete gemindert werden, da wurden die Rechte betroffener Mieter gerichtlich gestärkt. Ein umfangreiches bürgerliches Instrumentarium steht zur Verfügung. Es reicht aus. Wir müssen es aber nutzen.

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