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Meinung: Kandidat der Union: Die Zeit läuft gegen sie - und ihn

Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Frage stellen würde. CSU-Parlamentarier haben den Ton vorgegeben: Die Union grübelt - nein, nicht über die Kanzlerkandidatur, sondern über den Zeitplan für die Kandidatenkür.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Frage stellen würde. CSU-Parlamentarier haben den Ton vorgegeben: Die Union grübelt - nein, nicht über die Kanzlerkandidatur, sondern über den Zeitplan für die Kandidatenkür. Also doch über die Kandidaten. Aber der Reihe nach.

Erstens: Der Zeitplan. Kurz nach ihrer Wahl hat sich Angela Merkel mit Edmund Stoiber darauf verständigt, die Personalfrage bis Anfang 2002 offen zu halten. Das entsprang beiderseitigem Interesse. Der CSU-Chef wusste, dass er einer frisch gewählten CDU-Chefin die Kandidatur nicht streitig machen konnte. Merkel brauchte Zeit, um ihre CDU-Konkurrenten kalt stellen zu können. Also wurde vertagt.

Zweitens: Das Vorbild. Man erkennt in dem Projekt unschwer eine Kopie des Erfolgsmodells Schröder-Lafontaine. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die stillschweigende Absprache zwischen Stoiber und Merkel, sich nicht gegenseitig das Leben schwer zu machen. Das hat lange Zeit gut funktioniert. Die Kopie des roten Duos funktioniert trotzdem nicht.

Drittens: Das Problem. Es trägt einen Namen: Merkel. Die CDU-Chefin hat ihre Chance bisher nicht nutzen können, sondern ihre Ausgangsposition verschlechtert. Das ist so gut ihre eigene Schuld wie die der Partei, die sie mehr behindert als stützt. So können in der Union zunehmend Kräfte das Kommando übernehmen, die auf konservative Eindeutigkeit setzen: Am deutlichsten in der Zuwanderungsfrage, aber auch in der Gentechnik-Debatte. Die CSU drängt, nachdem sie sich lange zurückgehalten hatte, wieder verstärkt auf Konfrontation. Merkel ist meist anderer Meinung. Sie sieht auch, dass die Union dabei ist, sich im Stammwähler-Ghetto einzumauern, statt FDP und Grüne als Partner zu gewinnen. Sie kann aber nicht dagegenhalten. Das Projekt Merkel, die Öffnung für neue Wählerkreise, droht zu scheitern.

Viertens: Die Lageanalyse. Es ist kein Zufall, dass der Ruf nach Verkürzung des Zeitplans von Berliner CSU-Leuten kommt und nicht aus München. Die Berliner Christsozialen sehen, wie es so zugeht bei der Schwesterpartei. Sie fürchten, dass Merkel immer schwächer wird und Stoiber als einziger Kandidat übrig bleibt. Womöglich im Wortsinne: Der CDU-Parteitag im Dezember muss Merkels ungeliebten General Laurenz Meyer bestätigen, der nur eine vorläufige Legitimation hat. Fällt Meyer durch, fällt Merkel mit ihm.

Wenn die CDU-Chefin also keine Trendumkehr bewirkt - und niemand in der Union kann sagen, wie das gehen sollte -, spielt der Zeitplan ab jetzt gegen sie. Er spielt aber auch gegen Stoiber. Für das Ansehen des Bayern-Fürsten in seiner Heimat war bisher die Aussicht schmeichelhaft, er könnte es zum Kanzlerkandidaten bringen. Doch Stoiber fürchtet immer mehr, dass ihn die Ehre in Gestalt eines Hilferufs ereilen könnte. Mit einer desolaten CDU kann kein CSU-Chef siegen. Aber die Rettung der Union ablehnen - das kann er auch nicht, jedenfalls nicht unbeschadet.

Fünftens: Die Schlussfolgerung. Wer am Zeitplan festhält, gewinnt Zeit. Wenn aber die Analyse stimmt, dass die Lage mit der Zeit nur schlechter wird, nützt das nichts. Dann ist es besser, sich beizeiten zu entscheiden. Darin läge vielleicht sogar eine Chance zur Selbst-Disziplinierung der Union. Einem Kandidaten, aber auch einer Kandidatin flickt man nicht mehr ungestraft ans Zeug - weder als CDU- noch als CSU-Politiker. Nicht ausgeschlossen, dass so wieder etwas Corpsgeist entstünde. Ohne den, das immerhin lässt sich aus dem Vorbild Schröder-Lafontaine lernen, ist jeder Kandidat chancenlos. Und jede Kandidatin.

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