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Das Bundesverfassungsgericht hat dem EuGH das letzte Wort über lassen.

© dpa

Karlsruhe und die EZB: Die Chuzpe des Bundesverfassungsgerichtes

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Frage der Rechtskonformität der Währungspolitik der Europäischen Zentralbank seinen Kopf aus der Schlinge gezogen und die Antwort dem EuGH überlassen. Am Ende könnte es dennoch das allerletzte Wort haben.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat auf den ersten Blick über die Rechtskonformität der Währungspolitik der Europäischen Zentralbank kein Urteil zu fällen. Er überließ das dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Aber damit hat er eben doch eine Entscheidung getroffen, die man mit dem jiddischen Wort Chuzpe am zutreffendsten charakterisiert. Wer Chuzpe hat, der schafft es, sich aus einer schwierigen Situation mit einer Mischung aus Gewitztheit und Frechheit zu befreien. Nichts anderes aber gelang den Karlsruher Richtern. Sie gaben ihre Zweifel zu Protokoll, dass der unbeschränkte Mitteleinsatz der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Staatsanleihen notleidender Euro- Staaten durch geltendes Europarecht gedeckt sei. Dass dieses als OMT bezeichnete Verfahren nach ihrer Ansicht nicht mit dem Grundgesetz konform sei, sagten sie sogar ausdrücklich. Aber letztlich solle das der EuGH beurteilen.

Weise war dieses Verfahren, weil sich das Bundesverfassungsgericht immer wieder der Kritik ausgesetzt sieht, es spiele sich als Oberzensor der Europapolitik auf. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle würde das so kaum formulieren, dem Inhalt nach sieht er es aber genauso – jedenfalls sagte er schon früher, angesichts der Bedenken vieler Bürger gegen immer neue Europakompetenzen und den damit verbundenen Abbau des nationalen Entscheidungsspielraumes beanspruche Karlsruhe „in besonderen Konstellationen … das letzte Wort“.

Zum Totengräber der EU wollten die Richter nicht werden

Hätten die Karlsruher jetzt aber kurzerhand geurteilt, die Europäische Zentralbank dürfe nicht in unbegrenzter Höhe Staatsanleihen aufkaufen, wäre sehr wahrscheinlich eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit einem massiven Verfall des Euro die unmittelbare Folge gewesen. Zum Totengräber der EU wollten die Richter des Zweiten Senates aber nicht werden. Dass die europäischen Richter in Luxemburg großzügiger bewerten, dass bei ihnen also der „Outright Monetary Transactions“-Beschluss wohl wird passieren können, weiß man in Karlsruhe natürlich. Deshalb gaben die höchsten deutschen Richter der Überweisung an die europäischen Kollegen noch eine Empfehlung in Form einer rechtlichen Handreichung mit, die schon eine kleine Frechheit ist: Käme man in Luxemburg zu einer einschränkenden Auslegung des OMT-Verfahrens, seien die Karlsruher Bedenken ausgeräumt.

Nun sind diese Bedenken alles andere als Kinderkram. Als EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 den Spekulanten drohte, seine Bank würde sich ihnen nicht beugen, und die Mittel dazu seien da, „and believe me, it will be enough“, beendete er die Euro-Krise schlagartig. Er musste das It-will-be-enough nie mit einer Zahl untermauern, denn jedem war klar: das heißt unbegrenzt. Aber genau da liegt die – bislang nur theoretische – Überschreitung europäischen Rechtes und der Verstoß gegen Artikel 38 des Grundgesetzes. Die EZB darf keine eigene Wirtschaftspolitik betreiben. Genau das aber wäre eine Dauerrotation der Gelddruckmaschine. Das Recht der deutschen Abgeordneten, bei ihrer Arbeit „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ zu sein, wäre ausgehebelt, wenn Draghis Bank ohne jede demokratische Kontrolle Schulden macht, für die Deutschland mit bürgen muss.

So ist das Karlsruher Votum weise – und nicht endgültig. Wenn der EuGH den OMT unverändert passieren lässt, gilt vermutlich doch wieder Voßkuhles Satz, dass Karlsruhe manchmal das letzte, hier: das allerletzte Wort beansprucht.

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