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Katastrophe in Amerika: Öl macht Feuer

Es ist verstörend ruhig in den USA. Das Land erlebt die womöglich folgenreichste Umweltkatastrophe seiner Geschichte. Aber von einem Aufbäumen ist wenig zu sehen, nicht in der Politik und schon gar nicht in der Gesellschaft.

Seit fünf Wochen laufen unzählige Tonnen Rohöl ins Meer. In Europa hätte ein ähnlich schwerer Unfall längst eine Boykottaktion gegen den verantwortlichen Konzern BP ausgelöst.

Wie 1995. Da nahm Greenpeace den Plan der Firma Shell, den ausgedienten Öltank „Brent Spar“ in der Nordsee zu versenken, als Anlass für den Aufruf, nicht bei Shell zu tanken. Viele folgten. Der Konzern gab nach und schleppte die „Brent Spar“ in einen Hafen zur Entsorgung. Fast alles war damals anders. Greenpeace musste zugeben, dass es die schädlichen Rückstände im Tank weit übertrieben hatte. Im Umweltmagazin „Nature“ analysierten Experten, eine Versenkung hätte nicht die behaupteten Schäden verursacht. Die Anrainerstaaten beschlossen gleichwohl, die Versenkung von Plattformen zu verbieten.

In Amerika ist es umgekehrt: BP muss gestehen, dass es die Angaben über das Ausmaß der Ölpest untertrieben hat, und erntet den Vorwurf, es verschleiere eine Katastrophe. Präsident Barack Obama schickt erneut zwei Minister zum Krisenmanagement an den Golf und war selbst bereits unten. Aber er nutzt die Situation nicht, um Politik und Gesetze dynamisch zu verändern, wie Greenpeace es seinerzeit mit der „Brent Spar“ tat. Sein Moratorium für Offshore-Bohrungen vom 14. Mai erweist sich als löchrig. Die Ämter erteilen weiter Genehmigungen. Amerikas Bürger regen sich zwar darüber auf, dass das Leck nach fünf Wochen nicht gestopft ist. Aber dies ist eine diffuse Empörung, kein zielgerichteter Zorn gegen den Ölkonzern BP, der in einen Boykott zu münden droht. Selbst in dieser Stimmungslage erntet die Republikanerin Sarah Palin Beifall für ihr Bekenntnis, sie bleibe ein Fan der Offshore-Ölförderung.

Für europäische Ohren klingt hier vieles paradox. Die Rechte, die sonst möglichst wenig Staat fordert, ruft nun nach mehr Staat – die Regierung habe bei der Kontrolle der Ölkonzerne versagt. Dabei waren es Republikaner, die der Regierung mit industriefreundlichen Gesetzen die Fesseln anlegten, die nun ein schärferes Durchgreifen verhindern. Es ist auch höchst fraglich, dass BP für alle Folgen aufkommt. Die Haftung einzelner Konzerne ist pro Unglück auf 75 Millionen Dollar begrenzt. Aber es gibt, was im Finanzsektor per Bankenabgabe erst geplant wird: einen Haftungsfonds, in den alle Ölkonzerne seit Jahren einzahlen. Er enthält gerade mal 1,6 Milliarden Dollar.

Fünf Wochen Ölpest ohne absehbares Ende und Strafe für die Täter – das ist frustrierend. Doch es gibt auch rationale Gründe für das Vorgehen der Regierung. Die Drohung des Innenministers Salazar, BP zu entmachten, zeigt seine Wut. Bisher behalten zwei Gegenargumente die Oberhand. Erstens möchte man BP nicht aus der Verantwortung entlassen. Zweitens hat die Regierung weder bessere Geräte noch größeres Fachwissen. Auch das grundsätzliche Kalkül der Energiepolitik hat sich nicht verändert. Die USA wollen ihre Abhängigkeit von Ölexporten aus der muslimischen Welt verringern. Und sie haben, anders als Deutschland, den Luxus, dass sie die Hälfte ihres Verbrauchs im eigenen Land und vor dessen Küsten fördern können. Amerikas Antwort auf die Umweltkatastrophe ist nicht Verzicht auf das Öl. Sondern der Ansporn, Fördertechniken und Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern.

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