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Katholische Kirche: Wohin mit dem Papst?

Vom Krach in die Krise: Die katholische Kirche darf nicht zurück in die Scheinheiligkeit, meint Paul Kreiner. Doch die Rehabilitierung der Ultrakonservativen hat auch positive Aspekte.

Wenn die unglückselige Traditionalisten-Affäre Papst Benedikts XVI. ihre positiven Aspekte hatte, dann diese beiden: Zum einen hat die Öffentlichkeit erstmals umfassend gesehen, dass die ultrakonservativen Anhänger des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre nicht harmlose religiöse Sonderlinge sind oder Ästheten, die einfach nur ihre Messe auf Latein feiern wollen.

Vielmehr hängt am Tridentinischen Ritus ihrer Fasson eine Ideologie, die nicht in irgendwelche guten alten Zeiten zurückführt, sondern in tendenziell autoritäre, pluralismusfeindliche, also vordemokratische Zustände - ganz abgesehen vom religiösen Dünkel gegenüber den Juden, der schon einmal verhängnisvoll endete. Die Lefebvre-Leute sind eine winzige Minderheit, gewiss, aber ihre Rehabilitierung durfte nicht den Anschein erwecken, als gäbe die katholische Kirche ihnen recht. Genau das aber ist passiert, allen nachgeschobenen Erklärungen und Widerrufsaufforderungen zum Trotz.

Positiv an der Affäre ist zum anderen, dass endlich auch der letzte Rest von deutscher Gefühlsduselei gegenüber "unserem" Benedikt verschwunden ist. Dass es Protest gibt, ist gut. Protest besagt, dass man diesen Papst nicht länger zum nationalen Wohlfühlfaktor verniedlicht, sondern ihn ernst nimmt in dem, was er von Amts wegen ist und sein will: eine Führungsfigur.

Die Kirche muss in der Welt bleiben

Denn das ist gewiss:: Benedikt hat das Papsttum wieder zum "Stein des Anstoßes" gemacht. Diese Autorität kann man gutheißen, man kann sich über sie ärgern. Entscheidend ist: Man setzt sich mit ihm auseinander. Auseinandersetzung heißt ehrlicherweise aber auch, die eigene Position ins Spiel zu bringen - mit dem Risiko, dabei den einen oder anderen Punkt zu verlieren.

Es ist ja so: Die große Kirchenreform, das Zweite Vatikanische Konzil, dessen Fahnen heute alle Lefebvre-Gegner zu Recht so hoch halten, liegt mittlerweile fast ein halbes Jahrhundert zurück. Das ist wenig für die Kirche, aber viel für ihre Menschen. Die Generation, die damals diesen ungeheuren Ausbruch der katholischen Kirche aus ihrer verstaubten Ritenfrömmigkeit und ihrer weltverneinenden Abschottung miterlebt hat, ist alt geworden; die Priester gehen in Pension, Benedikt selbst ist wohl der letzte aktive Bischof, der das Konzil selbst mitgestaltet hat.

Die revolutionäre Leistung dieses Konzils war die Öffnung der Kirche zu Welt und Mensch, doch die Öffnung als solche war ein Akt, einer, auf den viele gewartet hatten und der riesige Energien freisetzte. Heute ist aus dem Akt ein Zustand geworden, aus der Öffnung eine Offenheit, die vielen aber allzu konturlos erscheint, als dass sie darin eine Leistung, einen Wert an sich erkennen könnten.

Wohin soll's also gehen? Zurück nicht. Nicht in das schein-heilige Gehäuse, in dem die Lefebvre-Leute die Kirche einsperren wollen. Die Kirche muss bleiben, wo ihre Menschen sind: mitten in der Welt. Aber diesen Ort "hat" sie nicht. Den muss sie immer neu bestimmen. Vielleicht hapert's im Moment ja daran.

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