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Meinung: Kaufen tut Not

Die Krise bei Karstadt verändert unsere Städte. Denen fehlt es an Konzepten für den Handel

Der Karstadt-Quelle- Konzern schickt sich an, die deutschen Innenstädte zu verändern – wenn er einen großen Teil seiner Warenhäuser schließt oder andere Betreiber für die Häuser sucht. Dieser Beschluss, der an diesem Dienstag öffentlich verkündet werden soll, ist ein Schritt zur Rettung von Karstadt, sagt Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff. Er ist ein weiterer Schritt zur Verödung der Innenstädte, werden Regionalpolitiker besorgt zurückrufen.

Beide haben Recht. Bei Karstadt kann es so wie bisher nicht weitergehen. 300 Millionen Euro Verlust im ersten Halbjahr – und keine Wende in Sicht. Das hält der stärkste Konzern nicht durch, zumal Karstadt nicht der einzige Problemfall im Unternehmen ist: Die Textilkette Sinn-Leffers leidet ebenfalls unter der deutschen Einzelhandelskrise, die Reise-, Fernseh-, Hypothekenbank-, Musik- und Kaffeehaustöchter machen dem Unternehmen im Augenblick auch nicht besonders viel Freude.

Für Karstadt geht es ums Überleben. Für viele der deutschen Innenstädte aber auch: Dort sind Warenhäuser wie Karstadt und Kaufhof immer noch die Zentren, an denen sich entscheidet, ob eine Innenstadt funktioniert. Kaufhäuser haben städtische Funktionen, die weit über das hinausgehen, was abends in der Ladenkasse ist. Eine Fußgängerzone ohne ein Warenhaus ist schwer zu erhalten. Und zwar nicht, weil heute viele Kunden wegen eines Warenhauses in die Innenstadt fahren – eine der wenigen Ausnahmen dafür ist das Berliner KaDeWe – sondern, weil Kaufhäuser für den Einkaufsmix einer City zentral sind. Kleine Geschäfte, Handelsketten, Apotheken, Lebensmittelhändler und Kinos kommen danach. Und oft ziehen auch sie weg, wenn das Kaufhaus geht. Für diese zentrale Funktion gibt es aber keine unmittelbare Rendite – weder in Itzehoe noch in Berlin.

Karstadt-Quelle muss seine Krise nach betriebswirtschaftlichen Kriterien lösen: Wenn es dafür nötig ist, Häuser zu schließen, wird dagegen kaum ein Argument stechen. Die Konzepte für die Sanierung der bestehenen Häuser liegen auf dem Tisch: weniger Verwaltung, mehr Beratung, weniger Verwechselbares, mehr Markenshops. Keine Rabattschlachten mehr, dafür Qualitätsshopping mit Spaß dabei. So stellen sich die Warenhausmanager die Zukunft vor. Ob und wie das Unternehmen diese Kur übersteht, ist eine Frage der unternehmerischen Leistung und der Bereitschaft der Mitarbeiter, den neuen Weg auch mitzugehen.

Die Konzepte für die Bürgermeister, Regionalplaner und Städtebauer dagegen sind noch nicht so deutlich geschrieben. Zwar ist das Gejammer immer fürchterlich, wenn ein Kaufhaus entscheidet, zu schließen oder in ein Einkaufszentrum vor die Tore der Stadt zu ziehen. Dann wird gegen die Billigmentalität geschimpft und gegen Supermärkte auf der grünen Wiese. Doch eine überzeugende Strategie, wie den Händlern das Bleiben in der Innenstadt schmackhaft zu machen ist, ist bisher noch kaum jemandem eingefallen. Die Stilwerke, Innenstadtinitiativen und Handelsgemeinschaften machen immer noch einen ein bisschen provisorischen Eindruck. Und wenn es darauf ankommt, weisen die Bürgermeister doch neue Flächen an den Rändern der Städte aus – aus Angst, dass es sonst die Nachbargemeinde tut.

Das Land Berlin zum Beispiel, nicht gerade gesegnet mit wohlhabenden Kunden, hat für die nächsten Jahre 400000 Quadratmeter neue Einzelhandelsfläche in der Stadt genehmigt. Jeder weiß, dass das auf Kosten der bestehenden Flächen gehen wird. Niemand darf sich wundern, wenn noch ein paar mehr Einkaufsstraßen in der Stadt in den nächsten Jahren zu Problemfällen werden. Der Wegzug oder das Schließen von Kaufhäusern ist meist nur der letzte Schritt, wenn eine Einkaufsgegend stirbt. Gerät ein Unternehmen wie Karstadt in die Krise, vollzieht sich dieser Prozess noch schneller.

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