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Meinung: Kein Regime Change

Die Opposition kritisiert die rot-grüne Außenpolitik – dabei würde sie von ihr profitieren

Von Hans Monath

Diese Hoffnung wird kaum in Erfüllung gehen. Zu gern würden SPD und Grüne die Außenpolitik zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Der Kanzler beschwört die Differenzen: „Denken Sie an die Debatte um den Irakkrieg, dann sehen Sie einen der großen Unterschiede.“ Im Gleichklang warnen die Grünen vor einer Opposition, „die 2002 bereit war, Deutschland in den Irakkonflikt zu stürzen“.

Die meisten Deutschen halten die Interessen des Landes nach außen durch Gerhard Schröder und Joschka Fischer für gut repräsentiert. Doch wenig spricht dafür, dass das im Herbst eine große Wirkung haben wird. Kaum jemand fürchtet eine wichtige sicherheitspolitische Entscheidung. Deshalb ziehen die Bilder zerfetzter Autos und blutender Menschen aus den Straßen von Bagdad jeden Tag aufs neue vorüber und beschäftigen die Deutschen doch kaum.

Doch nicht nur über Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik entscheiden die Wähler im Herbst. Es geht auch darum, ob Deutschland ein geschätzter Partner bleibt, ob Berlin bei Entscheidungen von weltweiter Wirkung eigene Vorstellungen durchsetzen kann, ob und für welche Ziele deutsche Soldaten im Ausland kämpfen. Was würden Union und FDP ändern?

Der heftigste Vorwurf der Opposition an Schröder lautet, er habe die guten Beziehungen zu den USA durch Kumpanei mit den Machthabern in Moskau und Peking ruiniert. Der Versuch, nicht nur mit Russland und China, sondern auch mit Frankreich eine Gegenkraft zur Weltmacht USA zu bilden, habe zudem die EU schwer beschädigt, heißt ihre Klage.

Genau das will eine schwarz- gelbe Regierung in Berlin nach dem Herbst zurückdrehen. Aber bedeutet das eine völlige Kehrtwende weg von der rot-grünen Außenpolitik? Jedenfalls kann man sich nur schwer eine Kanzlerin Angela Merkel vorstellen, die sich an George W. Bush ein Vorbild nimmt und im Zusammenhang mit einem Moskaubesuch ihren Gastgeber Wladimir Putin ultimativ zur Förderung der Demokratie und einer anständigen Rechtskultur auffordert. Nach aller Kritik erklärt die Union nun auch, sie werde die schon beschlossenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht aufhalten.

Schröders demonstrative persönliche Nähe zu Putin und sein Einsatz für das Ende des EU-Waffenembargos gegen China sind kritikwürdig. Anders verhält es sich mit dem großen Zuwachs an Vertrauen, das Deutschland durch die Haltung des Kanzlers im Irakkonflikt gewonnen hat. Auch die Union will diesen gegen ihren Willen errungenen Vorteil nicht mehr aufgeben. Inzwischen begrüßt sie sogar die Aussicht auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, die undenkbar wäre ohne die rot- grüne Außenpolitik.

Deshalb wird die Regierung Merkel das Verhältnis zu Washington mit symbolischen Gesten weiter verbessern, ohne dabei die größere Selbstständigkeit wirklich aufzugeben, die ihre Vorgängerregierung erkämpft hat. Merkel kann nicht einfach an der Politik Helmut Kohls anknüpfen, der heute in Washington von Präsident Bush sicher äußerst herzlich empfangen wird. Denn das Deutschland des Jahres 2005 ist ein anderes als das des Jahres 1998. Es sieht sich größeren Erwartungen gegenüber und hat neue Möglichkeiten. Daran wird auch ein „Regime Change“ in Berlin nichts ändern.

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