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Khairat al Shater: „Ich beuge mich dem kollektiven Willen“

Er ist Multimillionär und religiös konservativer Muslim. Nun will Khairat al Shater Präsident von Ägypten werden. Ein Porträt.

Am Ende gab er sich ganz bescheiden. Er habe niemals daran gedacht, ein Amt in der Regierung zu bekleiden oder sich dafür zu bewerben. „Aber nun bleibt mir nichts anderes übrig, als mich dem kollektiven Willen zu beugen.“ Der kollektive Wille, das ist der sogenannte Führungsrat der ägyptischen Muslimbruderschaft, der stets hinter verschlossenen Türen tagt und nach wie vor wie ein Geheimbund agiert. Als sich am Wochenende die Türen nach der entscheidenden Sitzung öffneten, stand fest: Die Islamisten schicken mit ihrem Vize Khairat al Shater nun doch einen eigenen Kandidaten in das Rennen um die Präsidentschaft, auch wenn sie das bisher stets abgestritten hatten.

Der Multimillionär, dem ein Wirtschaftsimperium aus Textil-, Computer- und Möbelfirmen gehört, zählt zu den mächtigen Figuren in den eigenen Reihen. Geboren am 4. Mai 1950 als Händlersohn in Mansura, einer Stadt im Nildelta, war er als junger Mann zunächst Sozialist und Anhänger von Präsident Gamal Abdel-Nasser. 1981 trat der gelernte Ingenieur in die Muslimbruderschaft ein, dessen Leitungsrat er seit 1995 angehört. Unter Mubarak saß er zwölf Jahre hinter Gittern, länger als jedes andere Führungsmitglied. Erst im März letzten Jahres kam er auf Weisung des Obersten Militärrates frei. Von seiner Zelle aus konnte er praktisch ungehindert seine Geschäfte steuern, die Finanzströme der Muslimbrüder regeln und wirkte als Verbindungsmann zu Mubaraks Regime.

Al Shaters Denken ist religiös konservativ. Gleichzeitig gilt er als Pragmatiker und Macher. Auf sein Drängen legte sich die Bruderschaft erstmals seit dem Sturz Mubaraks öffentlich darauf fest, den Friedensvertrag mit Israel einzuhalten, ein Schritt, der in Washington und Jerusalem aufmerksam registriert wurde. Trotzdem löste seine Kandidatur im Nachbarland Besorgnis aus. „Das sind keine guten Nachrichten“, zitierte die „New York Times“ einen israelischen Regierungsvertreter. „Die Muslimbrüder sind keine Freunde Israels“, erklärte er. „Die Frage ist, wie pragmatisch sie sind, wenn sie an die Macht kommen – das kann in beide Richtungen gehen.“

Bei der Präsidentenwahl am 23. Mai jedenfalls hat der 61-jährige Vater von zehn Kindern die besten Chancen, Nachfolger Mubaraks auf dem Sessel des Staatschefs zu werden. Nach 60 Jahren Verfolgung hätte die Muslimbruderschaft dann alle wichtigen Schalthebel am Nil unter ihre Kontrolle gebracht. Martin Gehlen

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