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Kirche, Schule, Heime: Was wir brauchen

In der Auseinandersetzung mit menschlichem Versagen in kirchlichen und weltlichen Institutionen mag der Gläubige auf Gottes Hilfe bauen. Zu leisten aber ist die Bewältigung der Vergangenheit nur von Menschen, die oftmals entweder Täter deckten oder wegsahen.

So, wie der Karfreitag in den christlichen Religionen der Tag dunkler Verzweiflung und der Ausweglosigkeit ist, symbolisiert Ostern Freude, Licht und die Gewissheit der göttlichen Wegweisung. Weil beides so unmittelbar aufeinander folgt, liegt es, mitten in der Diskussion um Missbrauch, Gewalt und Nötigung in kirchlichen und weltlichen Institutionen, nahe, die Brücke zwischen dem Jenseitigen und dem Diesseitigen zu schlagen. Der Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz tat das, als er von der Hoffnung sprach, der Karfreitag könne für die ganze Kirche zu einem Neuanfang werden.

Freilich trägt diese Brücke nicht weit. Christi Auferstehung war nach unserem Glauben Gottes Werk. In der Auseinandersetzung mit menschlichem Versagen in kirchlichen und weltlichen Institutionen mag der Gläubige auf Gottes Hilfe bauen. Zu leisten aber ist diese Bewältigung der Vergangenheit nur von Menschen, Männern, die oftmals entweder Täter deckten oder, von Taten ahnend und erfahrend, wegsahen. Und damit ist noch nichts gesagt über vorbeugende Maßnahmen, die eine Wiederholung solcher Verbrechen in der Zukunft erschweren – ausschließen kann sie niemand.

Ist solche Selbstreinigung möglich? Ja, weil wir nicht mehr auf die Reue der Schuldiggewordenen warten müssen, sondern weil die Opfer den Mut fanden, zu sprechen. Natürlich gibt es dann prompt auch geradezu diabolische Reaktionen wie die des Papst-Predigers Cantalamessa, der die gegen die Kirche erhobenen Vorwürfe mit dem Antisemitismus verglich, und so infam das Haus der Täter zum Haus der Opfers machte. Aber aufrichtiger sind doch Selbstzweifel wie jene des Osnabrücker Bischofs Bode, der diagnostizierte: Wir werden grundsätzlich infrage gestellt.

Dennoch wird er mit diesem Selbstzweifel immer noch eher eine Ausnahme sein. Typischer ist ein anderes Verhaltensmuster. Jene, die innerhalb des Systems Kirche, Internat, Domchor oder wo auch immer sind, erkennen nur das Versagen Einzelner, ohne die Fundamente der Institution selbst wanken zu fühlen – die wollen sie allenfalls reformieren. Die Betrachter von außen sehen genauso oft das System selbst als Ausgangspunkt der Verwerfungen und Verbrechen in seinem Inneren und halten nur noch die Abschaffung oder doch mindestens den Totalumbau für zukunftweisend.

Missbrauchsfälle hat es aber nicht nur in katholischen, sondern auch in evangelischen und weltlichen Institutionen gegeben. Der Zölibat kann folglich nur eine, aber nicht die einzige Ursache sein. Die Kriminalgeschichte weiß von vielen Kinderschändern, die, verheiratet, ein vermeintlich bürgerliches Leben führten. – Internate sind nicht nur Horte des Missbrauchs und der Deformation junger Menschen, sondern waren über Generationen Heimstatt für Mädchen und Jungen, die das Leben in der Schulgemeinschaft als großen Gewinn und prägendes Erlebnis empfunden haben. Und die Knabenchöre des abendländischen Kulturkreises wurden durch ihre Musik weltweit berühmt und nicht durch päderastisch veranlagte Chorleiter berüchtigt.

Aber erst, wenn jene Institutionen nicht länger als sakrosankter Selbstzweck im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, sondern wenn die ganze Fürsorge und Zuwendung den jungen Menschen gilt, durch die und für die all diese weltlichen und religiösen Organisationen leben, wird sich auch die Einstellung zum Missbrauch ändern. Die sexuelle Ausnutzung Abhängiger ist ja nur eine besonders niederträchtige Variante anderer Taten. Das jahrzehntelang als Mittel der Pädagogik akzeptierte Prügeln von Kindern, das sadistische Ausprobieren, wie eine Ohrfeige oder ein „Katzenkopf“ mehr Schmerzen zufügen könnten, ist ja ebenfalls nichts als Demütigung des Schwachen, des Abhängigen. Der einzige Ausweg ist die hingebungsvolle Sorge um den Mitmenschen, den Nächsten. In diesem Sinne hat das Thema dann doch sehr viel mit Ostern zu tun.

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