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Meinung: Klarheit für Deutschland

Gerhard Schröder muss Kanzler bleiben - zum Wohle des Landes Von Henryk M. Broder

Sigmar Gabriel, der frühere niedersächsische Ministerpräsident und spätere PopMusik-Beauftragte der SPD, hat kurz nach den Bundestagswahlen gesagt, es gebe nicht wenige in der Partei, die überzeugt seien, Schröder könne auch übers Wasser wandeln. Er, Gabriel, gehöre ebenfalls dazu. Schaut man sich die Homepage der SPD an (www.spd.de), wird einem der Satz in seiner ganzen Bedeutung klar. Die Sozialdemokraten betreiben derzeit einen Personenkult, der an Heiligenverehrung grenzt. Fehlt nur die Forderung, Schröder schon zu Leibzeiten selig zu sprechen.

Das Phänomen ist nicht neu. Schauspieler, die in der Vorstellung alles gegeben haben, kommen buchstäblich nur schwer von der Rolle, Rennfahrer müssen nach dem Ende des Rennens noch ein paar Runden drehen, um sich und ihre Motoren zu beruhigen. So geht es auch Schröder, der seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft damit begründet, dass er viel besser als erwartet abgeschnitten habe, Frau Merkel dagegen viel schlechter als erwartet.

Es ist wie in dem Witz, in dem Graf Bobby einem Freund die Relativitäts-Theorie von Einstein erklärt: „Drei Haare auf dem Kopf sind relativ wenig, drei Haare in der Suppe sind relativ viel.“ Es ist eben alles relativ, auch die 45o.ooo Stimmen, die zwischen Merkel und Schröder liegen.

Schröders Interessen- und Gefühlslage ist dabei vollkommen klar. Er fühlt sich als Sieger, wie ein Kind, das am Ende des Schuljahres nicht mehr damit gerechnet hat, versetzt zu werden, es dann aber doch schaffte, weil der Notendurchschnitt gesenkt wurde. Unklar dagegen ist, warum sich die CDU in eine Position drängen lässt, ihren Sieg erklären und begründen zu müssen, wo doch die reinen Zahlen für sich sprechen. Würde ein Unternehmen, das 51 Prozent der Anteile in ein Joint Venture mit einem anderen Unternehmen einbringt, auch nur darüber verhandeln, dass es den Generaldirektor stellen will?

Was so anfängt, kann nicht gut gehen, und es muss schrecklich enden.

Viel klüger wäre es dagegen, wenn die CDU sich zurücknähme und Schröder machen ließe. Soll er sich doch mit den Stimmen von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zum Kanzler wählen lassen. Soll er versuchen, fünf Millionen Arbeitslose von der Straße zu holen, die Staatsschulden abzubauen und die Kriterien von Maastricht wieder zu etablieren. Soll er eine Steuerreform durchziehen, die keinen einzigen Finanzbeamten seinen Job kostet und „gerecht“ ist. Und soll er weiterhin Deutschland als „mittlere Friedensmacht positionieren“, noch einmal seine Initiative „Deutschland will einen Sitz im Sicherheitsrat“ starten und gleichzeitig Waffen und Atomfabriken an China verkaufen.

Soll er doch zeigen, wie er die Iraner dazu bringen will, ihre Atomprogramme unter internationale Kontrolle zu stellen und dabei die „militärische Option“ von vornherein ausschließen. Wenn Schröder übers Wasser wandeln kann, kann er auch andere Wunder vollbringen.

Derweil könnte die CDU in aller Ruhe darüber nachdenken, was sie will: Regieren oder sich der SPD als potenzieller Sündenbock zur Verfügung zu stellen. Die Katastrophe braucht ein Gesicht. Eines, das sich bewährt hat. Es läuft alles auf Schröder zu.

Der Autor ist „Spiegel“-Reporter

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