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Klaus Wowereit: Suppenküche statt Lady Gaga

Wie sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zur Chefsache erklärt

Um rasch wieder beliebter zu werden, müsste Klaus Wowereit einiges tun, wofür er zugleich als Populist gescholten würde: mit der Spitzhacke die Eisdecke sprengen, mit dem Boxhandschuh beim Bahnchef auf den Tisch hauen, vom Dach eines Müllwagens mit dem Besen winken, morgens vor dem Arbeitsamt Jobs verteilen, mittags in der Suppenküche das Brot brechen, abends solange mit den Vorständen der wichtigsten Dax-Unternehmen tafeln, bis diese ihren Firmensitz nach Berlin verlegen.

Wenn Wowereit all das täte und noch mehr, würde er in der Beliebtheitsrangliste nicht länger von strahlend smarten Politikertypen wie Harald Wolf, Michael Müller und Ramona Pop abgehängt; selbst Ulrich Nußbaum liegt ja vor ihm – ein populärer Finanzsenator, das ist in Berlin fast so verdächtig wie ein freundlicher Busfahrer. Die Leute nähmen es Wowereit dann auch nicht mehr so übel, wenn er den Winterärger mit den Worten zu relativieren versuchte, Berlin sei nicht Haiti. Bisher wirkten solche Sprüche zynisch, bestenfalls gleichgültig gegenüber den Problemen der Stadt. Der Berliner an sich ist eben, trotz Schnauze, auch ein bisschen wehleidig; aber gegen das Seelestreicheln seiner Bürger hat der Regierende über die Jahre eine Allergie entwickelt. So verfestigte sich der Eindruck, das Einzige, was Wowereit putzt, ist die Platte.

Zunehmend unklar wurde, wohin Wowereit eigentlich will mit der Stadt. Was ist ihm wirklich wichtig? Zwar gelang es ihm weitgehend, das Image des Partymeisters loszuwerden; aber es wurde durch nichts ersetzt, allenfalls durch den Eindruck, dass er zunehmend gelangweilt auf dem Sprung ist – in die Bundespolitik oder sonst wohin. Zugleich betrieb Wowereit eine beliebige verbale Schwerpunktisierung der Politik. Alles mögliche wurde zur Chefsache erklärt: Wissenschaft, Kultur, Tourismus, Klimaschutz, Integration, S-Bahn, Mediaspree, der Name des Flughafens und einiges mehr, vieles folgenlos. Wenn alles zum Schwerpunkt wird, ist es nichts mehr.

So wirkt auch die Aktion Frühlingsputz mit Wowereits Besuch bei der Stadtreinigung zunächst etwas gezwungen, ja: erzwungen. Zu lange blieben die Dinge liegen, als dass der Einsatz jetzt gleich glaubwürdig erscheint. Die Leute wollen Leidenschaft sehen, Begeisterung, zur Not auch einen Regierenden Müllmeister.

Doch es könnte sein, dass Berlin bald einen anderen Wowereit erlebt, konzentriert, mit klarer Perspektive, einsatzfreudig und kampfbereit. Denn wenn Wowereit in der Politik bleiben will, hat er keine Wahl – außer der einen im Herbst nächsten Jahres. Er muss antreten, vielleicht gegen Renate Künast, die, von Friede Springer beim Neujahrsempfang herzlich umarmt, womöglich von einer Kampagne „,Bild‘ kämpft für sie“ getragen wird; und er muss gewinnen, sonst ist es mit der Karriere vorbei, dann wäre die Bundestagswahl 2013 für ihn schon verloren. Dafür muss er nicht schnell populärer werden, aber stetig, und das geht mit Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit. Aufräumen muss er in jedem Fall – seine Partei und seine Themen.

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