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US-Präsident Barack Obama bei seinem Beusch in Berlin 2013.

© Reuters

K(l)eine NSA-Reform: Obama kann die Deutschen nur enttäuschen

Mit seiner Rede zur NSA hat Barack Obama gezeigt, dass er vor allem Präsident der Amerikaner ist. Das mag die Deutschen enttäuschen. Überraschend kommt es nicht. Die USA ticken anders und beharren auf den aus ihrer Sicht erprobten Methoden, unbeeindruckt von der Empörung im Ausland.

Der Mann redet wie Barack Obama, handelt aber wie George W. Bush. Er möchte als Reformer der Geheimdienste dastehen, doch ändern soll sich möglichst wenig. Im Wahlkampf hatte er vor dem Überwachungsstaat gewarnt. Als Verfassungsrechtler weiß er, dass die massenhafte Datenerhebung ohne richterliche Genehmigung und die unkontrollierte Vorratsspeicherung gegen Amerikas Rechtsprinzipien verstoßen – und nur deshalb als legal verteidigt werden können, weil der Kongress nach 9/11 im „Patriot Act“ Handlungsfreiheit gewährt hat und die Obersten Richter Klagen wegen der mutmaßlichen Verfassungswidrigkeit bisher nicht annehmen. Dennoch hat Obama in seinen fünf Amtsjahren an der Praxis nichts geändert. Als Präsident hat er andere Prioritäten: vor allem die, Anschläge zu verhindern. Das sieht die Mehrzahl der US-Bürger ähnlich. So entfaltet das Unbehagen über die Snowden-Enthüllungen in Amerika nicht den Reformdruck, auf den die empörte deutsche Öffentlichkeit hofft.

Der Wendepunkt für Obama kam an Weihnachten 2009 mit dem Unterhosenbomber, der einen US-Jet auf dem Weg von Amsterdam nach Detroit sprengen wollte. Da war er noch kein Jahr im Amt. Wieder hatten die Dienste aus der Fülle ihrer Informationen die Hinweise auf den Täter nicht herausfiltern können. Es war reines Glück, dass der Zünder versagte. Der junge Präsident setzte die Dienste unter Druck – und die beschworen ihn, ihnen kein Werkzeug zu nehmen. Obama ist so technikgläubig wie die meisten Amerikaner. Auch er hält die Spähprogramme inzwischen für ein effektives Mittel der Terrorabwehr. Mit der Ausweitung des Drohnenkriegs hat er sich noch abhängiger von den Diensten gemacht.

Diese Widersprüche zeigen sich in der Rede zur Geheimdienst-Reform: in der Diskrepanz zwischen seiner Rhetorik und deren praktischen Folgen. Anders werden soll vieles, nur ändern darf sich nichts. Um das zu verdecken, wurde ein großes Theater der Nachdenklichkeit inszeniert. Erst die Expertenkommission mit ihren 46 Vorschlägen, dank derer sich Obama als Mann der Vernunft in der Mitte präsentieren kann, der manches annimmt und anderes verwirft. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken soll die bisherige Praxis der Datenspeicherung durch den Staat enden. Da man die Daten aber zur Terrorabwehr brauche, will er sie weiter sammeln; speichern sollen sie die Telefongesellschaften oder eine dritte Instanz. Über den Zugriff der Dienste entscheiden die nicht-öffentlichen „Fisa“- Sondergerichte. Diese Änderungsvorschläge gehen an den Kongress, schließlich ist dieser Präsident kein Diktator.

Das kann man als raffinierte Taktik zur Teilung der Verantwortung loben – oder als Bluff verspotten. Der Kongress ist gespalten und wird sich nicht einigen, die Telefonanbieter wollen die Aufgabe nicht, eine dritte Instanz gibt es nicht. Woher soll da der Wandel kommen – bis auf kosmetische Korrekturen wie die Ernennung eines „Bürgeranwalts“ bei den Sondergerichten? Obama kann sagen, an ihm liege es nicht. Er hat sich bemüht.

Und was ändert sich für Nicht-Amerikaner? Auch ihnen versichert Obama, ihre Rechte würden besser geschützt. Nur wer garantiert, wer kontrolliert das? Über das Abhören anderer Regierungen entscheidet künftig das Weiße Haus, nicht mehr die NSA. Gestoppt wird die Praxis nicht. Alles in allem enttäuscht Obama die Erwartungen vieler Deutscher. Überraschend kommt das nicht. Er ist Präsident der Amerikaner. Die ticken anders und beharren auf den aus ihrer Sicht erprobten Methoden, unbeeindruckt von der Empörung im Ausland.

Deutschland verhält sich kaum besser. Hier versteift man sich auf gegenteilige Ideale wie eine praxisferne Minimierung der Datenerhebung und der Vorratsspeicherung. Es gibt wenig Bereitschaft, die Geheimdienstarbeit im Zeitalter nach 9/11 offen zu diskutieren. Als Reaktion auf das befürchtete Scheitern eines „No- Spy“-Abkommens mit den USA folgt nun der Wunsch nach einer europäischen Regelung – auch um Amerika unter Druck zu setzen. Doch deutsche Positionen sind auch in Europa nicht mehrheitsfähig. Nicht nur Obamas Amerika, auch unser Land muss bereit sein zu neuem Denken.

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