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Christian Wulff.

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Bundespräsident Wulff: Kleinteilig im großen Amt

Das Affärchen um Christian Wulff, so wie es sich heute darstellt, ist zu klein für Konsequenzen. Aber es droht das Amt und seinen Inhaber zu verkleinern – auf ein Maß, das sich Horst Köhler kaum hätte träumen lassen.

Von Robert Birnbaum

Horst Köhler hat, als er sein Amt niederlegte, den Rückzug mit dem Mangel an Respekt begründet, der ihm entgegen schlug. Das war die falsche Reaktion, aber ihr lag ein richtiges Gefühl zugrunde: Das Amt des Bundespräsidenten beruht in seiner Substanz auf Würde. Das Staatsoberhaupt wirkt als moralische Instanz, als Mann (oder Frau) der längeren Linien und Gedanken über den Tag hinaus, also aus einer Position, die dem politischen Alltag mit seinen Kompromissen und taktischen Zügen enthoben ist.

Damit ist klar erkennbar, worin das aktuelle Problem des Amtsinhabers besteht. Christian Wulff hat in seiner früheren Zeit als Ministerpräsident ein bisschen getrickst. Er hat sich von alten Freunden ein Privatdarlehen geholt, ist unter Umständen, die seinerzeit eine milde Affäre ausgelöst haben, zu diesen Freunden in den Urlaub geflogen, und hat hinterher auf Nachfragen der Opposition nicht alles gesagt, was es über seine Geschäfte mit diesen Freunden zu sagen gab.

Juristisch ist das nicht zu fassen. Politisch spielt der Vorgang im Grenzbereich zwischen zulässigem Kniff und bedenklicher Unsauberkeit. Ganz streng genommen muss eine Regierung nur die Fragen des Parlaments beantworten, die ihr gestellt werden. Aber es ist ihr auch nicht verboten, mehr zu sagen, besonders wenn sie sich nichts vorzuwerfen hat.

Im besten Fall hat also der Ministerpräsident Wulff Angst davor gehabt, dass die volle Wahrheit ein Skandälchen auslösen könnte. Das hätte an seinem schönen Bild vom netten, selbstlosen Landesvater gekratzt. Da hat er sich dann lieber in Rabulistik geflüchtet. So weit, so schlecht; aber so ist das politische Geschäft manchmal. Die Opposition hat auch nicht aus purem Edelmut haarkleinlich nachgefragt.

Der Fluch der trickreichen Tat ist aber, dass dem Bundespräsidenten Wulff nun wenig anderes übrig bleibt, als die Rabulistik fortzusetzen. Da wird dann fein ziseliert unterschieden zwischen Geschäften mit dem alten Freund und Geschäften mit des alten Freundes Frau; eine Unterscheidung, die in dieser Trennschärfe nicht mal die Geldgeber für sich selbst treffen.

Das eine Problem dieses Vorgehens liegt in der Sache. Wer kleinteilig argumentiert, kann sich nicht darüber beschweren, wenn ihm politische Gegner und journalistische Jäger genau so kleinteilig kommen. Ob Wulffs Freunde gemeinsame Konten haben, ist eigentlich egal. Wulffs Verteidigungslinie macht daraus einen Angriffspunkt.

Richtig bedenklich aber ist, was dieses Kleine mit dem großen Amt des Präsidenten anrichtet. Wulff steht ohnehin unter Beweispflicht, dass er den Raum ausfüllen kann. Zum Rechtsterror zum Beispiel hat man von ihm nichts gehört. Dass er die Angehörigen der Ermordeten empfangen hat, ist gut und richtig. Es ist trotzdem zu wenig für ein Staatsoberhaupt, das die Integration zu seinem Kernthema erklärt hat. Ein Präsident muss nicht täglich Nachrichtenspalten füllen. Aber bis zur großen Rede beim Staatsakt abzuwarten ist wieder zu kleinteilig gedacht.

Das Affärchen, so wie es sich heute darstellt, ist zu klein für Konsequenzen. Aber es droht das Amt und seinen Inhaber zu verkleinern – auf ein Maß, das sich Horst Köhler kaum hätte träumen lassen.

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