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Meinung: Klug als wie zuvor

Die SPD will in Weimar einen Pakt mit der Zukunft schließen

Ein schöner Ort, um in Klausur zu gehen, dieses Weimar. In der Stadt der deutschen Dichter und Denker denkt sich die SPD das neue Jahr zwei Tage lang so, wie sie es gerne hätte: Vor allem soll es problemfreier werden als das vergangene. Die Partei ist wund gerieben von den wüsten Auseinandersetzungen der letzten zwölf Monate. Die Einschnitte ins soziale Netz, die Zumutungen an die Bürger, auch die kleinen, haben viele Genossen vom sozialdemokratischen Glauben abfallen lassen. Sie gilt es wieder zu begeistern, zumindest zu besänftigen. Die Umfragen machen Angst, die ganzen Wahlen, die da kommen, sowieso.

Und so entsteht der Eindruck, der Kanzler und seine Partei wollten es 2004 mal wieder sachte angehen lassen. Wenigstens schmerzfrei. 2003 war das Jahr des Leidens, 2004 wird das Jahr der Lust. Von Goethes Heimat aus will der erweiterte SPD-Vorstand seine neueste Dichtung mit dem Titel „Weimarer Leitlinien Innovation“ ins Land tragen. Dagegen ist wenig zu sagen.

Will Deutschland in den kommenden Jahrzehnten einen ähnlichen Wohlstand genießen wie in den vergangenen, muss es sich diesen erst erarbeiten, muss wieder Trendsetter werden in den Technologien der Zukunft. Mag sein, dass etwa die Nanotechnologie für viele Spitzensozialdemokraten noch immer nach Raumschiff Enterprise klingt. Aber der politische Wille, bislang vernachlässigte Forschungszweige wie diesen stärker zu fördern, ist vorhanden.

Auch in anderer, in psychologischer Hinsicht, macht die Innovationsoffensive der Regierung Sinn. Wer den Menschen, etwa bei den sozialen Sicherungssystemen, Verzicht verordnet, muss ihnen zugleich den Sinn des Darbens vor Augen führen. Vielleicht funktioniert der Zweiklang ja, nach dem Motto: erst wird saniert, dann investiert – in Bildung und Forschung eben, in Bereiche, von denen alle Bürger profitieren, direkt oder indirekt. Das Prinzip Peitsche und Zuckerbrot.

Und doch konterkariert die SPD mit ihrem Schwerpunkt auf Bildung und Forschung das wohl wesentlichste Anliegen von Kanzler und Co: den Mentalitätswechsel im Lande, weg vom Anspruchsdenken alter Zeiten, hin zum Bewusstsein, dass staatliche Leistungen eher die Ausnahme, nicht die Regel sein werden. Die SPD dagegen weckt dieser Tage das Gefühl, als sei das Unangenehme getan, als könne man sich jetzt wieder dem Angenehmen zuwenden. Dabei sind die Sozialversicherungen trotz einiger Einschnitte längst nicht gesichert. Das dürfen die Genossen in ihrem neuen Innovationstaumel nicht ganz vergessen.

Markus Feldenkirchen

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