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Meinung: Koalition in Schwerin: Eine wirklich lohnende Niederlage

An dieses sonnige Wochenende im Mai 2001 wird sich die PDS noch in einigen Jahren gerne erinnern. Damals, so mögen sie dann sagen, damals sind wir so richtig schön betrogen worden.

An dieses sonnige Wochenende im Mai 2001 wird sich die PDS noch in einigen Jahren gerne erinnern. Damals, so mögen sie dann sagen, damals sind wir so richtig schön betrogen worden. So, dass es jeder merkte. Aber ohne jeden Verlust. Und eben deshalb mit ganz viel politischem Gewinn. Denn zum ersten Mal seit ihrer Gründung hat die PDS die Moral auf ihrer Seite. Zugleich macht sie eine Erfahrung, die jede neue Partei irgendwann braucht: eine Koalitionskrise, die der Partner ausgelöst hat. Die nur dank der Besonnenheit der Düpierten nicht zu einem Bruch der Regierung führt. Am Ende kommt der Stempel "staatstragend" drauf. Nur, will die PDS das überhaupt?

Pflichtgemäß geschimpft haben sie schon, die Vorsitzenden, Minister und Abgeordneten. Von unvorstellbarer Arroganz sprach der Stratege und Europa-Parlamentarier André Brie, von einem schweren Vertrauensbruch der Minister und Landesvorsitzende Helmut Holter. Was der SPD-Ministerpräsident Harald Ringstorff da im Bunderat getan habe, empörte sich der Schweriner PDS-Abgeordnete Arnold Schoenberg, zeige das Verhältnis eines Monarchen zu seinen Untertanen. Und die PDS-Bundesvorsitzende Gabi Zimmer erklärte am Montag, die Koalition hänge an einem seidenen Faden.

Als Harald Ringstorff am vergangenen Freitag im Bundesrat für die Rentenreform stimmte, musste er wissen, dass etwas dieser Art folgt. Denn bis zuletzt hatte er die PDS glauben lassen, es bleibe bei der Vereinbarung, die unter den Partnern getroffen worden war: Enthaltung in der Länderkammer. Die Rente wäre auch ohne Ringstorffs Stimmen durchgekommen. Es ging ihm also offenkundig nicht nur um die Sache, jedenfalls nicht nur um diese. Für das Wohlwollen seines Parteivorsitzenden und Kanzlers Gerhard Schröder nebst einiger Vorteile für sein Land nahm Ringstorff sogar einen sehr unangenehmen Auftritt beim beleidigten Partner in Kauf. Eine richtig gute Erklärung für die Stimmentrickserei hatte er nicht. Aber die PDS, auch das wusste er, hat keinen ernsthaften Anlass, nur wegen der Zustimmung zur Rentenreform die Regierung zu verlassen. Für ganz so schlecht hält die Partei das Gesetz dann doch nicht.

Erst musste Ringstorff die Risiken abwägen, jetzt ist die PDS dran. Schon längst geht es auch hier nicht mehr um die Sache, sondern um Taktik. Verließe die Parteiführung wegen des Vertrauensbruchs die Koalition, könnte sie auf die Unterstützung ihres Fundamentalistenflügels zählen. Doch das will sie ja gar nicht. Sie will frei von ihm sein. Bleibt die PDS aber in der Koalition, gerät die Spitze innerparteilich unter Druck. Von Sozialdemokraten verraten - das kennt man hier ja. Aber von der eigenen Führung?

Schon heißt es, wenn die PDS noch ernst genommen werden wolle, dann bleibe ihr gar nichts anderes übrig, als die Regierung zu verlassen. Und auch wenn er es nicht gewollt haben sollte - dazu passt eine Bemerkung von André Brie, der sagte, die SPD wäre niemals auf gleiche Weise mit der CDU umgegangen. Beide Behauptungen treffen auf ein Gefühl, das weit verbreitet ist in der PDS. Für diese Gemütslage bleibt die Bundesrepublik in jeder Erscheinungsform, und sei es als ostdeutsch dominierte Landesregierung, ein Gegner, der mehr genommen als gegeben hat, der verantwortlich ist für Demütigung, Arbeitslosigkeit usw. usw.

Aber das ist eben nur ein Gefühl. Will die PDS als Partei auf Dauer bestehen, darf sie sich ihm nicht hingeben. Was dabei helfen könnte: die Erkenntnis, dass beide oben genannten Behauptungen prinzipiell falsch sind. Ernst genommen wird eine Partei, wenn sie politisch zuverlässig ist, aber nicht, wenn sie sich beleidigt zeigt. Wer eine Regierung verlassen will, braucht dafür ein starkes Argument. Das fehlt hier. Es bleibt nur verletzter Stolz - und den hat es, tatsächlich, auch schon bei anderen Parteien gegeben. Zum Beispiel bei der Berlin-SPD. Zweimal setzte sich der Regierende Bürgermeister bereits über die Vereinbarung hinweg, dass die Koalition im Bundesrat bei Uneinigkeit mit Enthaltung stimmt - unter ähnlichen Voraussetzungen, wie jetzt Ringstorff. Die SPD tobte - und blieb im Senat. Ihr fehlten nicht die Worte, nur die Argumente.

Die PDS ist auch in dieser Hinsicht nur etwas gewöhnlicher geworden. Und erfahrener. Wenn also die PDS-Vorsitzende Zimmer von dem seidenen Faden spricht, an dem die Koalition hänge, dann wird sie wissen, dass echte Seide ziemlich reißfest ist.

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