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Koalitionen: Gelb und Grün, das hat sich erledigt!

Auch wenn es Schnittmengen zwischen FDP und den Grünen gibt: Joschka Fischers Nachfahren sind nur noch eine diffuse Selbstfindungsgruppe.

Dass es bei den Wählern von FDP und Grünen zu Schnittmengen kommt, ist wahr. Richtig ist auch, dass es nur wenige Politikfelder gibt, in denen sich progressive Grüne und Liberale unversöhnlich gegenüberstehen. Wenn die Grünen in ihrer Selbsteinschätzung allerdings glauben, sie hätten das linksliberale Erbe der FDP angetreten, so ist das ausgemachter Unsinn. Die selbst empfundene „Vielfalt und Breite“ der Grünen symbolisiert nur Orientierungslosigkeit und Schwäche der Partei. Niemand kann bestreiten, dass die FDP die Bürgerrechtspartei in Deutschland ist – und schon lange war, als friedensbewegte Mitglieder der Grünen noch Bärte und Latzhosen trugen und Sonnenblumen in Fußgängerzonen verteilten.

Die internen Probleme und Flügelkämpfe der Grünen sind ein wesentlicher Faktor dafür, dass die politische Melange zwischen Blau-Gelb und Grün zurzeit nicht funktionieren kann. Grüne, das ist der Eindruck, sind sich untereinander selbst nicht grün. In keiner deutschen Partei sind die Meinungsunterschiede zwischen Parteiführung, Parteimitgliedern und Wählerschaft so groß wie bei der einstigen Ökopartei. Das Abstimmungsdebakel zum Afghanistaneinsatz ist das beste Beispiel dafür. Die Wähler der Grünen schütteln den Kopf und verstehen nicht, dass das, was sie denken, fühlen und meinen, niemanden in der Partei zu kümmern scheint. Sie vermissen Joschka Fischer, der realitätsfernen Stricklieseln früher den Marsch geblasen hat. Heute herrscht Tohuwabohu. Die Grünen wirken kopfloser als jemals zuvor. Tonangebendes Führungspersonal ist nicht in Sicht.

Die früheren Grünalternativen sind zersplittert in tausendundeine Interessengruppen und bilden heute nicht mehr als ein loses Zweckbündnis. Ihr Problem: Es gibt niemanden, der die Anliegen innerhalb von Partei und Wählerschaft bündelt. Auch fehlt ein zentrales Thema, über das die Grünen sich definieren könnten. Den Umweltschutz – einst ihr originäres Hauptanliegen – haben die anderen Parteien vereinnahmt. Wofür stehen die Grünen noch? Jenseits des Themas Atomausstieg gibt es keine Klarheit im Programm. Das Grundproblem der Grünen sind ihre diffusen Wurzeln. Weltschmerz und Betroffenheit sollen das übertünchen. Damit gewinnt man vielleicht Sympathien, aber gute Politik kann nicht immer sympathisch sein, wenn sie erfolgreich sein soll. Bevor Grüne und FDP sich miteinander arrangieren, müssten die Grünen das lernen. Der liberale Vorrat an Taschentüchern reicht nicht aus für Claudia Roths Tränen.

Neben dem Verlust von Führung und Themen droht den Grünen aber noch eine andere Gefahr: der radikale Dreh nach links. Seit sogar Mandatsträger in Landtagsfraktionen zur Linkspartei überlaufen, herrscht Alarmstimmung. Die Folge ist: Grünen-Fundis geben sich fundamentalpazifistischer denn je. So wie Eva Herman angeblich Jobangebote von der NPD bekommt, werden die Grünen für ihre Entscheidungen von Oskar Lafontaine gepriesen. Das zerreißt die Partei und vergrault die Anhängerschaft im realpolitischen Milieu. Das Dilemma zeigt sich in der Äußerung von Fritz Kuhn, Vorsitzender der Bundestagsfraktion einer selbst ernannten „basisdemokratischen“ Partei, dass er vor dem Beschluss der eigenen Mitglieder nicht „buckeln“ werde.

Vielen Sympathisanten der Grünen geht ohnehin auf den Geist, dass sich die Partei mitunter als diffuse Selbstfindungsgruppe geriert. Statt das Profil zu schärfen und strategische Entscheidungen zu fällen, wird auf einem Grünen-Parteitag lieber darüber diskutiert, ob eine Kuh auf der Weide rechts- oder linksdrehend ist. Das Ergebnis wird dann als Basis der globalen Befindlichkeitslage definiert.

Dass der Primat der Ökonomie auch in der Ökologie gilt, wollen viele Grüne nicht akzeptieren, und so begeben sie sich auf eine Sinnsuche, die in Ziellosigkeit endet. Auf lange Sicht braucht Deutschland keine grüne Partei. Gelbe Pullunder sind einfach besser, wenn sie professionell gestrickt sind.

Die Autorin sitzt für die FDP

im Europaparlament.

Silvana Koch-Mehrin

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