zum Hauptinhalt

Koalitionsgipfel: Angela Merkel und die schwarz-gelben Schicksalstage

Für die Bundesregierung beginnen die entscheiden Wochen des Jahres. Gleichzeitig werden wichtige Weichen für den Wahlkampf 2013 gestellt. Eigentlich müssten die Koalitionspartner jetzt vor allem die Kanzlerin stärken, doch FDP und CSU spielen auf eigene Rechnung.

Fragt man die Deutschen, was sie noch von der schwarz-gelben Bundesregierung erwarten, dann sind die Antworten ziemlich deutlich: Mehr Merkel, weniger Rösler und Seehofer, mehr CDU und weniger FDP und CSU. Mehr Geschlossenheit und weniger Streit. Die Koalition steht unter Druck, die Liste der unerledigten Aufgaben ist lang. Das Ansehen der Regierung ist angesichts des Dauerstreits der Koalitionspartner nicht besonders hoch, trotz guter Wirtschaftsdaten und sinkender Arbeitslosigkeit. Die FDP hat sich zwar wieder stabilisiert, dafür ist die CDU nach der Niederlage bei der Landtagswahl in NRW in der Wählergunst deutlich abgesackt. Nur die Kanzlerin steht beim Wähler weiterhin gut da.

Es gibt zwischen Angela Merkel, Philipp Rösler und Horst Seehofer also einiges zu besprechen, wenn sich die Vorsitzenden der drei Regierungsparteien am Montag zum Koalitionsgipfel treffen: ESM-Vertrag, Fiskalpakt und Haushaltskonsolidierung; Energiewende, PKW-Maut und Vorratsdatenspeicherung; Betreuungsgeld, Mindestlöhne und Frauenquote – die Liste der Themen ist lang, die Herausforderungen sind groß. Man könnte auch von einem schwarz-gelben Krisentreffen am Mittag im Kanzleramt sprechen. Es müssen Entscheidungen her. Endlosen Streit, die Profilierung auf Kosten von Koalitionspartnern und das Aussitzen von Konflikten können sich CDU, CSU und FDP eigentlich nicht länger leisten.

Für die Bundesregierung beginnen die entscheiden Wochen des Jahres. Vielleicht sind es so gar die wichtigsten des Jahres, schwarz-gelbe Schicksalstage könnten es werden. Momentan haben die drei Regierungsparteien in Umfragen keine Mehrheit, soll sich daran in den kommenden 15 Monaten noch etwas ändern, dann wird es Zeit.

Für die Koalition bietet sich im Koalitionsausschuss also die letzte Gelegenheit, Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit zu demonstrieren, sich auf eine gemeinsame Linie in der Regierungspolitik zu verständigen, in wichtigen Politikfeldern endlich Fakten zu schaffen.

Eigentlich müsste sich die Koalition jetzt hinter der Kanzlerin versammeln, sie vor allem im Kampf um die Euro-Rettung unterstützen und ihr bei der Energiewende den Rücken stärken. Endlich müsste die Koalition einen Kompromiss in Sachen Vorratsdatenspeicherung finden, sonst drohen in Brüssel demnächst peinliche Strafzahlungen. Gleichzeitig müsste die Koalition unsinnige, überflüssige und umstrittene Projekte wie das Betreuungsgeld ad acta legen. Zu dem müssten es die Koalitionsparteien Angela Merkel ermöglich, ein Signal in Richtung jener Wechselwähler zu senden, die am Ende die Wahl 2013 entscheiden, zum Beispiel mit Lohnuntergrenzen oder einer Frauenquote für die Wirtschaft.

Auf Merkel kommt es an

Schwarz-Gelb braucht eine starke Kanzlerin. Vor allen dann, wenn der Euro im Herbst noch tiefer in die Krise schlittert, braucht die Regierung eine Kanzlerin, die in Europa agieren kann und keine, der die Koalitionspartner parteitaktisch motivierte Fesseln angelegt haben.

Auf Merkel kommt es anschließend vor allem 2013 an. Die Kanzlerin ist der letzte Trumpf von Schwarz-Gelb, nur wenn sie gut dasteht, können die Koalitionsparteien im Wahlkampf des kommenden Jahres glaubhaft für eine Neuauflage werben. Nur wenn Angela Merkel nach acht Regierungsjahren noch einmal genügend Strahlkraft entwickelt, kann die schwarz-gelbe Regierung darauf hoffen, wiedergewählt zu werden.

Doch die Realität sieht anders aus und das liegt vor allem daran, dass Horst Seehofer und Philipp Rösler ihr eigenes politisches Süppchen kochen. Ihnen geht es erst in zweiter Linie um die Berliner Koalition. Sie haben überhaupt kein Interesse daran, sich hinter Merkel ins Glied zu stellen. Auch ihre eigene Partei murrt gelegentlich, doch mangels politischer und personeller Alternativen folgen die Christdemokraten ihrer Kanzlerin. Merkels Probleme heißen CSU und FDP.

Die CSU kämpft ihren eigenen Kampf. Schließlich stehen im Herbst 2013 nicht nur Bundestagswahlen an, sondern in Bayern auch Landtagswahlen. Bis dahin muss die Regionalpartei CSU demonstrieren, wie groß ihr bundespolitischer Einfluss ist. Deshalb benimmt sich der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer gelegentlich wie ein Nebenkanzler und ausgerechnet das unsinnige Betreuungsgeld hat dieser dazu auserkoren, um seinen bayrischen Landsleuten die bundespolitische Macht seiner Partei zu demonstrieren. Dass er die Forderung nach Einführung der PKW-Maut dafür als Faustpfand benutzt, macht es nicht besser.

Die FDP wiederum ist nach den beiden Wahlsiegen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein längst noch nicht über den Berg. Die Liberalen waren bei den beiden Landtagswahlen erfolgreich, weil sie sich gegen die CDU und gegen die Berliner Koalition profiliert haben. Darüber hinaus ist Philipp Rösler weiterhin ein Parteichef auf Abruf. Er muss endlich in Berlin zeigen, dass er durchsetzungsstark ist, er muss sich gegen CDU und CSU und gegen die Kanzlerin profilieren. Sonst senken die beiden Wahlsieger aus Kiel und Düsseldorf, Wolfgang Kubicki und Christian Lindner, endgültig den Daumen.

Keine schöne Aussichten für einen Koalitionsgipfel, bei dem es auch um die Zukunft für Schwarz-Gelb geht. Die Signale stehen auf Streit und nicht auf Geschlossenheit. Der Spielraum für tragfähige Kompromisse scheint gering. Doch wenn die Koalition jetzt nur Placebo-Lösungen präsentiert, könnte sich das schon bald rächen.

 

Christoph Seils leitet die Online-Redaktion des Magazins Cicero. Er ist Autor des Buches „Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien?“, erschienen im WJS-Verlag. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über die deutsche Parteienlandschaft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false