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Meinung: Kofi Annan: Ein sanfter Macher

Ganz oben wird die Luft dünn, sagt man. Wer in einem mächtigen Amt keine Gegner hat, kann nicht gut sein, heißt es, oder: Wer führt, der eckt auch an.

Ganz oben wird die Luft dünn, sagt man. Wer in einem mächtigen Amt keine Gegner hat, kann nicht gut sein, heißt es, oder: Wer führt, der eckt auch an. Nach solchen Kriterien muss mit Kofi Annan, dem siebenten Generalsekretär der Vereinten Nationen, etwas faul sein. Keines der 189 Länder dieser Welt hat eine Sekunde überlegt, ob Annan eine zweite Periode lang ihr Chef sein soll. Ende Juni wurde Annan von der UN-Vollversammlung für weitere fünf Jahre bestätigt. Was ist der Grund für diese Popularität? Lieben den 63-jährigen Häuptlingssohn aus Ghana womöglich alle deshalb, weil er sich mit niemandem anlegt? Die Antwort darauf heißt: Ja, so ist es. Das Geniale aber an diesem ungewöhnlichen Mann ist, dass er trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - unglaublich viel erreicht hat. Er ist der sanfte Sanierer, der realistische Träumer, er streitet nicht für seine Ziele, sondern führt die Beteiligten behutsam auf den richtigen Weg. Kofi Annan ist ein kleiner Glücksfall für die Welt.

Allerdings hatte er es zunächst auch leicht, sich zu profilieren. Als er den Posten von Boutros Ghali übernahm, waren die Vereinten Nationen in einem miserablen Zustand. Die Organisation war praktisch pleite, befand sich in Fehde mit dem US-Kongress und sah sich aufgrund einiger Friedensmissionen, die im Chaos geendet hatten - Stichwort: Somalia - dem allgemeinen Spott ausgesetzt. All das hat Annan faktisch ins Gegenteil verkehrt. Reich ist die UNO zwar immer noch nicht, aber der Haushalt ist ungefähr ausgeglichen. Die Beziehungen zu Washington haben sich dramatisch verbessert, der Finanzstreit wurde beigelegt. Und die 16 Friedensmissionen, die es derzeit gibt, verlaufen weitgehend erfolgreich. Hinzu kommt, dass Annan die Reform des riesigen Verwaltungskolosses am East River in New York beharrlich weiter verfolgt.

In der Bilanz am stärksten freilich schlägt die Art zu Buche, wie Annan es geschafft hat, das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf die brennenden Probleme unserer Zeit zu richten. Dazu zählen die Bekämpfung von Aids, insbesondere in Afrika, die Umwelt, die Armut sowie die Überwindung des Grabens, der sich im Informationszeitalter zwischen Laptop-Besitzern und Analphabeten aufgetan hat. Erfrischend ideologiefrei bezieht der UN-Chef in die Diskussion auch große Wirtschaftsunternehmen mit ein.

Einen Trend allerdings, der unmittelbar die Legitimation seiner Organisation berührt, hat auch Annan nicht aufhalten können - das Ende der weltweiten Demokratisierung. Vor zehn Jahren, nach dem Fall der Mauer, schien sich ein Land nach dem anderen auf elementare Prinzipien des Zusammenlebens zu verpflichten. Auf freie Wahlen, Gewaltenteilung und Menschenrechte. Inzwischen jedoch leben Jahr für Jahr immer mehr Menschen in Staaten, die nicht demokratisch legitimiert sind. Die überwältigende Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sind keine Demokratien. Das beeinträchtigt erheblich den Respekt, den die freie Welt vor diesem Gremium haben sollte. Denn wie verbindlich können Beschlüsse sein, die mehrheitlich von Monarchen, Prinzipalen, Diktatoren und Einparteien-Herrschern herbeigeführt werden?

Es stimmt: Wo das Brot fehlt, wirkt Freiheit wie ein Luxus. Richtig ist aber auch, dass Armut und Ungleichheit nicht wirksam bekämpft werden können, wenn die Regierungen nicht den Willen der Menschen repräsentieren. Den Prozess der Demokratisierung zu fördern, muss Kofi Annan daher zu einem Kernstück seiner zweiten Amtszeit machen. Aus dem kleinen Glücksfall könnte dann ein großer werden.

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