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Kolumbien und die Farc: Sternstunde

Seit 50 Jahren gibt es in den Anden Bürgerkrieg. Seit Montag verhandeln die kolumbianische Regierung und die Farc, die wichtigste Rebellengruppen, wieder miteinander. Die Chance für einen Frieden ist so groß wie nie.

Von Michael Schmidt

Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein?, fragte Bertolt Brecht in seinem berühmten Gedicht. Nein, Alexander eroberte Indien sicherlich nicht alleine. Und Cäsar hatte wohl mindestens einen Koch dabei, als er die Gallier schlug. Und doch machen einzelne Menschen und ihre spezifischen Persönlichkeiten zuweilen den historischen Unterschied aus. Zum Beispiel im heutigen Kolumbien.

Seit 50 Jahren tobt in dem Andenstaat ein Bürgerkrieg. Es wird entführt, vertrieben, gemordet. 200 000 Menschen sind in dem Konflikt gestorben, Millionen auf der Flucht. Am Montag haben sich die Regierung und die wichtigste Rebellengruppe, die Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc), zu neuen Friedensverhandlungen getroffen. Die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt ist groß, die Angst, dass das Morden weitergeht, noch größer.

Es ist freilich nicht das erste Mal, dass verhandelt wird. Doch diesmal sind die Erfolgschancen wesentlich größer. Denn alle Seiten können nach fünf Jahrzehnten unaufhörlichen Gemetzels nicht umhin, einzusehen, dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen ist. Für die Guerilla ist es zudem wahrscheinlich die letzte Möglichkeit, aus der Terrorecke herauszukommen und sich als ernst zu nehmender politischer Akteur zu positionieren. Und nicht zuletzt verspricht der Wechsel im Amt des Staatspräsidenten, verspricht Juan Manuel Santos, dass Bewegung in die Verhandlungen kommt.

Sein Vorgänger Alvaro Uribe stammte aus der landbesitzenden Oligarchie. Sein Vater war 1983 bei einem Entführungsversuch getötet worden. Uribe vertrat stets die Interessen seiner Herkunftsklientel und hatte enge Kontakte zu Drogenbaronen: Ein CIA-Bericht von 1991 listet ihn als Mitarbeiter des Medellin-Kartells auf. Gespräche mit der Guerilla, Verhandlungen über eine Landreform waren mit diesem Mann nicht zu haben.

Ganz anders steht es mit Juan Manuel Santos. Er entstammt der städtischen, global orientierten Elite des Landes und vertritt eher die Interessen des internationalen, mobilen Kapitals als die der Großgrundbesitzer. Seine Anhänger haben durch eine Landreform weniger zu verlieren. Auch deshalb unterschrieb er ein Gesetz, das zwei Millionen Kolumbianern Land zurückerstattet, das sie in den letzten 25 Jahren verloren haben.

Die Voraussetzungen für einen Verhandlungserfolg sind also so gut wie nie, doch sicher ist nichts. Das, wie die Geschichte lehrt, berechtigte gegenseitige Misstrauen ist immens. Ob es eine Wiedergutmachung für die Opfer gibt und Strafen für die Täter, ist offen. Vor allem ist fraglich, ob und inwieweit sich die Verhandlungsführer der Loyalität ihrer Leute sicher sein können. Zu viele profitieren vom Status quo der kolumbianischen Kriegsökonomie. Vielen Rebellen geht es längst nicht mehr um Politik, sondern ums Geschäft, vor allem mit Drogen und Waffen. Ihnen muss der Friedensprozess eine lukrative Alternative bieten. Nur dann könnte sich Juan Manuel Santos einen Platz in den Geschichtsbüchern seines Landes sichern.

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