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Autor Matthias Kalle.

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Kolumne: Der Weg ist das Ziel

Manchmal gibt es Probleme beim Verkehr: man erreicht das Ziel einfach nicht, obwohl man es mit allen Mitteln versucht. Unser Kolumnist Matthias Kalle hat mit diesem philosophischen Problem seine eigenen Erfahrungen gemacht und stößt dabei auf verschiedene Assoziationen.

Wenn Sie mal was total Lustiges erleben wollen und ganz viel Zeit haben, dann versuchen Sie doch mal an einem ganz normalen Wochentag – nehmen wir einfach  Donnerstag – zu einer sehr zivilisierten Uhrzeit – nehmen wir einfach 17 Uhr – vom Ostteil Berlins in den Westen zu fahren. Dieses Erlebnis werden sie so schnell nicht vergessen.

Ich schreibe bewusst Ostteil und Westteil, obwohl ich natürlich weiß, dass es da de facto nicht mehr gibt. Um so erstaunlicher finde ich deshalb, dass es momentan etwas gibt, das diese Stadt in zwei Hälften teilt, wobei ich nicht genau weiß, was dieses „etwas“ genau ist. Ich versuche es mal konkreter: Ich hatte am Donnerstag um 17 Uhr einen Termin am Schlesischen Tor. Um halb fünf stieg ich am S-Bahnhof-Friedrichstraße in ein Taxi. So. Moment. Mit Recht werden jetzt einige Leser kommentieren: „Ja-ha! Taxi! Wie blöd kann man sein!“ Gehen wir mal einfach davon aus, dass man schön blöd sein kann.

Bauarbeiten an der U5 in Berlin Mitte in Bildern

Jedenfalls ist es weder mir, noch dem Taxifahrer (der überdies ein ortskundiger, netter Mann war) gelungen, den Bezirk Mitte zu verlassen, geschweige denn den Bezirk Kreuzberg zu erreichen. Es ging nicht. Es war unmöglich. Wir kamen da einfach nicht hin. Und wir haben alles versucht. Und es gibt nicht wenige Straßen, die von Mitte nach Kreuzberg führen. Denkt man so. Stimmt aber nicht. Denn Straße ist gemeinhin etwas, auf dem man fahren kann, aber wir konnten nicht fahren. Wir konnten stehen.

Wir fanden keinen Weg vom Ostteil der Stadt, der uns in den Westteil führte – in diesem Moment dachte ich einmal kurz den politisch völlig inkorrekten Gedanken, dass es 1988 einfacher war, von der Friedrichstraße vom Schlesischen Tor zu kommen.

Ich nehme mit diesem Text meine Liebeserklärung an Berlin aus der vergangenen Woche nicht zurück, nee, nee. Und wenn einige Kommentatoren meinen, dass das, was ich geschrieben habe, ziemlich dünne gewesen sei und intellektuellen Ansprüchen nicht genüge, dann weise ich höflich daraufhin hin, dass Liebe und Intellekt nicht die größten Freunde sind. Können Sie erklären, warum sie diesen oder jenes lieben? Na bitte!

Da fällt mir ein: Ein Arzt vermeldete in dieser Woche, dass er den so genannten G-Punkt gefunden habe – was manche Menschen alles so suchen. Der amerikanischeArzt Adam Ostrzenski suchte den G-Punkt an einer weiblichen Leiche, und er fand in der vorderen Wand der Vagina eine „sackähnliche Struktur“, die „schwellkörperartiges Gewebe“ enthalten soll. Die Größe dieser Struktur gibt Ostrzenski mit einer Länge von etwa einem Millimeter und einer Breite von  dreieinhalb Millimeter an. Und das sei, so der Arzt, mit Sicherheit nichts anderes als der G-Punkt.

Der Mann schrieb darüber in einer Fachzeitschrift einen Artikel, in dem er auch erwähnte, dass es ja auch ein G-Punkt-Gen geben würde. Er verwies auf eine entsprechende Studie, die aber leider mit dem G-Punkt nichts zu tun hat, sondern mit kurzen DNA-Sequenzen und mit Guanin-Basen. Wahrscheinlich hat sich der Arzt da in irgendwas verrannt, er wäre nicht der erste, die Existenz des G-Punktes formulierte bereits der deutsche Gynäkologe Ernst Gräfenberg, und zwar in den 50 Jahren, seitdem suchen interessanterweise vornehmlich Männer danach, den Frauen scheint dieser Punkt irgendwie egal zu sein.

So wurde im Zuge der „Entdeckung“ die Direktorin der Frauenklinik der TU München, Marion Kiechle, mit folgenden Worten zitiert: „Besonders hartnäckig wird diese Diskussion von denjenigen geführt, die selbst Unterspritzungen, Vergrößerungen, Verlagerungen des vermuteten G-Punktes anbieten und damit suggerieren, es sei möglich, durch diese Eingriffe die Qualität des sexuellen Erlebens zu steigern.“ Der vermeintliche Entdecker des G-Punktes arbeitet übrigens im Institute of Gynecology in Florida und lebt hauptsächlich davon, kosmetische Operationen im Vaginalbereich durchzuführen.

Am Ende ist das dann doch so ein bisschen wie im Moment die Situation in Berlin. Man befindet sich zwar im Verkehr, aber das Ziel wird einfach nicht erreicht. Aber vielleicht ist ja doch tatsächlich der Weg das Ziel.

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