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Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Kolumne "Einspruch": Die Grünen machen die Klage zum politischen Mittel

Falsche Tatsachenbehauptungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, da sind Grenzen erreicht, sagen die Grünen und verklagen Alexander Dobrindt. Eine eigentümliche Empfindlichkeit, mit der sich die Partei kleiner macht, als sie ist.

Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Die alte Einsicht des Satirekünstlers F. W. Bernstein bietet eine taugliche Perspektive insbesondere für die Analyse politischer Auseinandersetzungen. Ein bekannter Elchkritiker ist zum Beispiel CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der die Elche von den Grünen als zurückgebliebene Steinewerfer und Chaoten kritisiert, selbst aber ein Chaot ist, der gern Steine wirft. Sein letzter Wurf traf den grünen Abgeordneten Volker Beck, den er den „Vorsitzenden der Pädophilen-AG“ der Grünen nannte, und Chaos verbreitete er zuletzt im „Bayernkurier“, indem er dort das grüne Steuerkonzept in einer Weise vorrechnete, als habe er keine Schule besucht.

Das Publikum begleitet solcherlei Elchkämpfe mit notorischem Halbinteresse. Wer würde eine konsistente Steuerberechnung von einem Parteifunktionär erwarten, zumal wenn diese, wie ebenfalls jeder weiß, in einem Lederhosen-Jubelblatt stattfindet und es nur darum gehen soll, den politischen Konkurrenten zu diskreditieren? Niemand. Und niemand nimmt Dobrindt ab, dass ein Politiker heute reüssieren kann, der Ex-Vorsitzender eine „Pädophilen-AG“ gewesen sein soll. Es sind Verzerrungen.

Zum Komment gehörte es, dergleichen über sich ergehen zu lassen. Die Grünen kündigen ihn nun auf; ihr Vorstand will wegen der Dobrindtschen Steuerprüfung klagen, Beck schickt ebenfalls seinen Anwalt los, auch auf die Junge Union Bayerns, weil sie einen – laut Beck verfälschten – Beck-Aufsatz auf ihre Website stellte (siehe nebenstehenden Artikel).

Falsche Tatsachenbehauptungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, da sind Grenzen erreicht, sagen die Grünen. Eine eigentümliche Empfindlichkeit, die mit einer Verzwergung des Drittriesens unter den deutschen Parteien einhergeht. Das Recht ist in erster Linie für die Schwachen da; die Starken brauchen es nicht. Die Politik ist komplett verrechtlicht, da muss es die politische Auseinandersetzung nicht auch noch werden. Wenn es sich Parteien nun zur Angewohnheit machen, ihre Gegner zu verklagen, sobald diese deren Inhalte und Personal verbiegen – es könnte die Errichtung einer neuen Gerichtsbarkeit nötig werden.

Dobrindt wird’s freuen; auch wenn er alles verliert, die Klagen verstetigen die Aufmerksamkeit für ein sonst rasch verglühendes Feuerwerk. Und die Grünen melden jeden juristischen Bodengewinn dann allen Ernstes als Erfolg. Wahlkampf im Takt von Landgerichtsurteilen. Wenn noch ein Beitrag zur Politikverdrossenheit fehlte, dann dieser.

Übrigens, soviel zur Sache selbst, rechnet der Bund der Steuerzahler ebenfalls anders als die Grünen. Und wer den Beck-Aufsatz mal lesen möchte, um sich eine Meinung zu bilden, erhält im Beck-Büro eine Abfuhr. Von Elchen weiß man, den Elchtest scheuen sie.

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