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Kolumne: Esther Kogelboom ringt mit guten Vorsätzen: Münsteraner Versuchskaninchen

Was der Nikolaus so brachte? Krankheiten, in allen möglichen Varianten. Und schöne Erinnerungen an die Zeit, in der man sich noch vollpumpen konnte mit Aspirin und Antibiotikum. Nun schluckt alles automatisch das Kind, also Vorsicht!

Sogar die Apotheke der Natur hält einiges Ungutes bereit. Salbeitee gegen den Halsschmerz? Lieber nur in geringen Mengen, meint die Apothekerin. Pfefferminzöl gegen den Kopfschmerz? Nein, vermeldet das Internet. Das Einzige, was bei Schwangerschaft in Maßen geht, ist Paracetamol. Sagt der Arzt. Bei der Hebamme entsteht auf Nachfrage die steile Falte zwischen den Augenbrauen. Sie schwört, und das ist jetzt nicht so überraschend, auf Wadenwickel und heiße Brühe vom Bio-Huhn.

Der Erfinder einer wirksamen, unkomplizierten Grippe-Medizin für Schwangere wäre ziemlich schnell Millionär.

Das Problem, erklärte man mir in der Apotheke, sind offenbar die Tests. Welche werdende Mutter erklärt sich schon bereit, an einer Medikamentenstudie teilzunehmen?

Im Fieberwahn träumte ich Fragmente einer „Tatort“-Folge aus Münster, mit Hauptkommissar Frank Thiel und Prof. Karl-Friedrich Boerne als Gerichtsmediziner.

Zentrum des Geschehens war ein gekacheltes, unterirdisches Versuchslabor in Havixbeck. Dorthin hatten Menschenhändler Schwangere aus Osteuropa verschleppt – als Versuchskaninchen für die deutsche Pharmaindustrie. (Man darf sich die Szenerie des Films dunkelblau-anthrazit-regennass vorstellen.)

Alle paar Wochen kommt in dem Labor ein Kind zur Welt, das von den Fieslingen in die Babyklappe des St.- Franziskus-Hospitals gelegt wird. Die Mütter werden vergiftet und im Venner Moor versenkt. Thiels Vater, der Alt-68er-Taxifahrer, wird unfreiwillig Zeuge davon, als ihm beim Paintball-Spiel mit seinen jungen Kollegen so doll die Pumpe geht, dass er an einen Baum gelehnt pausieren muss. Doch alle Versuche, seinem Sohn per Taxifunk davon zu berichten, scheitern: Thiel fährt seinem Vater immer wieder über den Mund, weil der seine Rotweinlieferungen aus dem Piemont in der Post am Berliner Platz abgefangen hat.

Thiels Vater nimmt gemeinsam mit Nadeshda, der von einer geheimen Frühschwangerschaft angeschlagenen und daher emotional hochverstrickten Assistentin, die Ermittlungen auf. Nadeshda schleust sich auf eigene Faust auf die Säuglingsstation des St.-Franziskus-Hospitals ein und sichert Babyhaare, die von Boerne gewohnt widerwillig auf genetische Übereinstimmung mit den postnatalen Leichenfunden getestet werden.

Als Thiel davon Wind bekommt, schreit er alle zusammen und rast aus der Dienststelle – vorbei an einem rauchenden Ficus Benjaminus, hinter dem sich Staatsanwältin Wilhelmine Klemm versteckt und natürlich alles mitbekommen hat. Boerne ist mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Er schnappt sich seinen Schirm und fährt zum Golfplatz Wilkinghege.

Thiel wandert unterdessen entlang des Venner Moors und beobachtet die Spurensicherung bei der Arbeit. Da bekommt er einen Anruf: Trotz intensiver Beschattung wurde erneut ein Baby in der Babyklappe gefunden. Thiel will zurück zum Dienstwagen, gleitet jedoch auf einem feuchten Blätterhaufen aus und landet mit einem Fuß im Schlick. Vergeblich versucht er, sich zu befreien. Panik ergreift ihn, als er spürt, wie das Moor ihn weiter und weiter in die Tiefe zieht. Zuerst die Unterbeine, dann die Knie … so ein Moor ist nicht unangenehm, irgendwie kühl … zur Hilfe! Hört mich keiner?

Als ich aufwachte, sah ich Alberich. Sie stand am Fußende meines Bettes und machte mir Wadenwickel.

An dieser Stelle wechseln sich ab: Elena Senft, Moritz Rinke, Jens Mühling und Esther Kogelboom.

Esther Kogelboom

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