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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Kolumne "Ich habe verstanden": Einer wie ich gehört Silvester nicht vor die Tür

Silvester hat unser Kolumnist ausnahmsweise in Berlin verbracht und war entsetzt, dass Fußgänger an diesem Tag schon gegen Mittag die Verkehrsregeln komplett ignorieren. In New York ist das anders, meint er.

In den vergangenen Tagen bin ich – obwohl ein ausgebuffter Medienprofi – hier und da mal böse durcheinandergekommen: Bei manchen Texten, die ich so las, wusste ich nicht, ob es sich um einen 2013-Rückblick oder um eine 2014-Vorschau handelt. Dann musste ich immer wieder von vorne anfangen, mit der Überschrift, und mir die dort genannte Jahreszahl notieren, um da gegebenenfalls immer mal wieder raufzuschauen. Übrigens glaube ich nicht, dass das an den Kollegen liegt, denen in der vergangenen Woche leider nichts anders eingefallen ist, also zurück- oder vorzuschauen, sondern an mir. An mir und an meinem Alter. Ich werde auch immer schreckhafter.

Unzählige Gefahren am Silvestertag

Darum bin ich auch sehr froh, dass Silvester nichts Schlimmes passiert ist. Ich möchte nichts runterspielen, natürlich sind wieder schlimme Dinge passiert, der Alkohol und die Handhabung von Feuerwerk sind nun einmal keine optimale Verbindung. Ich meine auch eher den Silvestertag, vormittags, mittags, nachmittags. Da lauern unzählige Gefahren – und das wusste ich nicht.

Am vergangenen Silvestertag musste ich arbeiten, zum ersten Mal, ansonsten verlasse ich vom 30. Dezember (abends) bis zum 2. Januar (morgens) ungern das Haus. Am Dienstag ging es nicht anders, ich fuhr ins Büro, ausnahmsweise nahm ich das Auto. Ich hatte ja keine Idee, keine Ahnung, keine Vorstellung davon, was auf den Straßen an diesem Tag los ist. Wo kommen die alle her? Wo wollen die alle hin? Wo waren die vor einer Woche? Und sie waren zu Fuß unterwegs, und weil sie in der Mehrheit waren, schienen sie beschlossen zu haben, dass an diesem Tag der Unterschied zwischen Straße und Bürgersteig aufgehoben gehört. Das jedenfalls war eine Erklärung, die ich dafür hatte, dass die Menschen in Berlin Autos, Fahrradfahrer, öffentliche Verkehrsmittel – und die dazugehörigen Regeln, die das alles zusammenhalten –, komplett ignorierten.

Irgendwann dachte ich dann aber, dass die Menschen, die uns netterweise zu Silvester besuchen kommen, alle aus Gegenden angereist sind, in denen das Prinzip des Straßenverkehrs weitestgehend unbekannt ist. Anders ist es ja nicht zu erklären, dass sich manche so erschreckten, als sie auf der Karl-Liebknechtstraße standen, um ein schönes Foto vom Fernsehturm zu knipsen, und ich mit leisem Hupen darauf aufmerksam machte, dass ich gerne weiterfahren würde. Nach dem ersten Schock waren die dann sauer und ich hatte fast ein schlechtes Gefühl, dass ich ja arbeiten und irgendwie ins Büro kommen musste.

Ich habe nichts gegen Touristen

Ich will nicht falsch verstanden werden: Ich habe nichts gegen Touristen (und es kommt jetzt kein Nebensatz, der mit „aber“ beginnt). Ich finde das Prinzip Spazierengehen absolut richtig und werde immer für die Rechte von Fußgängern einsetzen. Ich habe leider nur wieder festgestellt, dass einer wie ich an Silvester nicht vor die Tür gehört.

Am Silvesternachmittag bin ich dann auch ganz vorsichtig nach Hause gefahren. Ich hoffe, es hat sich niemand verletzt. Am Neujahrsabend sah ich dann im Fernsehen, wie der neue Bürgermeister von New York vereidigt wurde. Der neue Bürgermeister heißt Bill de Blasio, ist Demokrat, und schürt bereits Hoffnungen und Erwartungen. Angeblich wurde er auch Bürgermeister wegen der Frisur seines Sohnes – sie erinnert an die Frisur des Fußballers Dante. De Blasio ist übrigens der erste New Yorker Bürgermeister, der seine Kinder nicht auf eine Privatschule geschickt hat. Als eine Art Schulsenatorin kürte de Blasio übrigens Carmen Farina. Die war mal die Englischlehrerin des Schriftstellers Jonathan Lethem, er sagt über sie, „die beste Lehrerin, die ich je hatte“. Lethem widmete Farina einen Roman.

Ich habe einmal Silvester in New York verbracht. Das war super. Ist halt auch irgendwie eine andere Stadt.

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