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Autor Matthias Kalle.

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Kolumne "Ich habe verstanden": Hört auf die Piraten öffentlich vorzuführen!

Die Piraten waren das Top-Thema in den Talkshows dieser Woche. Man muss die Partei nicht gut finden. Es ist aber nicht fair, dass die Piraten jetzt durchs Fernsehen geführt werden wie wilde Tiere durch die Manege.

Weder bei Anne Will am Mittwoch, noch bei Sandra Maischberger am Dienstag waren Piraten zu Gast – was ging da schief bei der ARD? Bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ war zwar auch kein Pirat im Studio, dafür aber Hans-Olaf Henkel, den man in deutschen Talkshows ja so gut wie nie sieht – ein echter Scoop, wie wir Medienprofis sagen. Aber auch Henkel musste, sollte, durfte über die Piraten reden, gemeinsam mit der Schriftstellerin Juli Zeh, mit dem Kabarettisten Florian Schroeder und mit Jutta Ditfurth. Falls es in dieser Sendung einen Erkenntnisgewinn gab, habe ich ihn vergessen.

Nicht vergessen habe ich, dass die Piratenwochen im deutschen Fernsehen am Sonntag bei Günther Jauch eröffnet wurden – ich würde das zwar gerne vergessen, aber ich kann nicht, ich sehe immer diesen Piraten vor mir, Johannes Ponader, den politischen Geschäftsführer der Partei. Er hatte Sandalen an den Schuhen und ein Handy in der Hand, weil er unbedingt während der Sendung twittern wollte.

Ich trage keine Sandalen und ich habe auch noch nie getwittert – trotzdem ist für mich ein Mann im Fernsehen, der Sandalen trägt und twittert, jetzt nicht soooo die Sensation. Im Fernsehen, so sehe ich das, kann im Prinzip jeder machen, was er will, so lange er sich an die Gesetze hält und den Zuschauer nicht langweilt. Das letzte finde ich hierbei noch ein wenig wichtiger als das erste. Jetzt passierte aber folgendes: Ein Mann mit Sandalen der twittert gilt im Jahr 2012 in Deutschland als Freak. Als Exot. Als leicht irre. Anders ist das, was diese Woche sonst noch so im Fernsehen los war, nicht zu erklären.

Der Parteitag der Piraten in Bildern

Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich kurz hinzufüge, dass ich weder die Piraten gewählt habe, noch habe ich vor, die Piraten zu wählen – ich kann inhaltlich nichts mit ihnen anfangen, das ist für mich das entscheidende, als Medienprofi sage ich immer: content is king, you know? Trotzdem finde ich es nicht richtig, dass die Piraten jetzt durchs Fernsehen geführt werde wie wilde Tiere durch die Manege. Das ist zum einen, natürlich, auch die Schuld der Piraten, die ja in jede Talkshow rennen, in die sie eingeladen werden (und die dabei offensichtlich um Öffentlichkeit herzustellen einem aus ihrer Sicht „altem“ Medium mehr trauen als jedem sozialen Netzwerk, sonst würden sie ja nicht ständig ins Fernsehen rennen) – zum anderen sind es aber auch die unsäglichen anderen Gäste in diesen Talkshows, die mit ihren Kommentaren nicht die Piraten, sondern sich selbst unmöglich machen.

Eine neue politische Kraft: Die Piratenpartei in Bildern

Zum Beispiel Dagmar Frederic. Die saß am Mittwochabend in der Talkshow von Markus Lanz und sagte über den Piratenpolitiker Torge Schmidt, der sei endlich mal einer, der ein Sakko anhabe und nicht dauernd ein Twitter in der Hand halte. Vielleicht hat sie ihn nach der Sendung noch beiseite genommen und ihn gefragt, ob sie sich jetzt mal ein Facebook kaufen solle. Ottfried Fischer war auch zu Gast in der Sendung. Er hatte im Vorfeld wohl ein paar dünne Witzchen über die Piraten auswendig gelernt und dann versucht, diese Witze aufzusagen. Zum Glück war der Komiker Oliver Polak da, der immerhin noch versuchte, sich inhaltlich mit den Piraten auseinanderzusetzen.

Denn das kann doch alles nicht sein: Seit dem Erfolgs der Piratenpartei bei den Wahlen in Berlin wird ihnen vorgeworfen, dass das inhaltlich recht dünn sei – und wenn man dann im Fernsehen mit ihnen diskutiert, dann geht es nicht um Inhalte, sondern um Schuhe und um Sakkos. Ich bin ja noch relativ jung, deshalb weiß ich nicht, ob man den Grünen Anfang der 80er Jahre dauernd vorgeworfen hat, sie würden ja dauernd nur Stricken.

Ach – wenn ich mir doch was wünschen dürfte, dann würde ich mir wünschen, dass die vom Fernsehen in der kommenden Woche mal keinen von den Piraten einladen. Und dass die Piraten, wenn sie eingeladen werden, einfach mal zu Hause bleiben. Oder in diesem Internet.

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