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Autor Matthias Kalle.

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Kolumne "Ich habe verstanden": Hymnenpflicht, Fashionweek, Gottesteilchen - eine gute Woche

Unser Autor Matthias Kalle freut sich: Über eine unsinnige Debatte zum Hymnensingen, fragwürdige Gestalten auf Berlins Straßen und über Mario Balotelli. Was das mit der Entdeckung des Higgs-Boson-Teilchens zu tun hat, lesen Sie hier.

Irre gute Woche im Prinzip. Fing damit an, dass „Bild“ in einem Wettbewerb, bei dem die Zeitung nur gegen sich selbst antritt, wer denn eigentlich den dümmsten, den chauvinistischsten, den anti-modernsten Quatsch zum Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der Fußballeuropameisterschaft schreibt, allen ernstes gefordert hat, die Spieler sollten doch gefälligst  alle wieder die Nationalhymne singen, so wie die Italiener (so wie die Spanier geht das ja nicht, deren Hymne hat ja gar keinen Text – trotzdem sind sie Europameister geworden, aber das ist denen bei „Bild“ wahrscheinlich zu spitzfindig).

Denn nur wer die Hymne sänge, wer also stolz ist für sein  Land Fußball zu spielen, der könne auch wirklich Leistung abrufen. Geht aber noch besser, denn dann fragten die von „Bild“, wo in Deutschland überhaupt noch die Hymne gesungen werde – in Schulen? Nein? Warum denn nicht? Mhm... vielleicht, weil dieses Land auch ohne Singen der Hymne jetzt nicht so schlecht dasteht in Europa, leistungsmäßig. Zu spitzfindig? Na gut.

Darüber schrieb der Kollege Bernd Matthies bereits einen tadellosen Text und genau so tadellos waren die Leserkommentare, die in schöner Ironie gleich noch das Einmarschieren ins Stadion statt des Einlaufens forderten. Als ich das las, was ich versöhnt und die Erinnerungen an Fanmeilen und Fahnen verblassten.

Seit Mittwoch allerdings ziehen andere fragwürdige Menschen durch Berlin – bisschen anders gekleidet als die „Sieg!“-Rufer zwar, aber jetzt nicht unbedingt viel besser. Die Fashion Week hat also die Fanmeile abgelöst, aber wenn ich jetzt was über die Fashion Week und das Fahion Week Publikum schreibe, dann steht bei den Leserkommentaren wieder, ich würde krampfhaft alles schlecht finden und mich zu sehr um eine originelle Meinung bemühen. Ja – genau! Ich lese nicht nur die Kommentare, die die Kollegen kriegen, sondern auch die, die ich kriege (Lieber KlonKlon: Ich hatte wirklich kein Synonym-Wörterbuch – jetzt habe ich eins, danke für den Hinweis).

So. Aber. Wenn man so eine Kolumne Woche für Woche abliefern muss, wenn der Redaktion Feiertage, Urlaube, Krankheiten und schlechte Laune vollkommen egal sind, dann schießt man eben auch schon mal über das Ziel hinaus. Diese Kolumne erscheint jetzt seit anderthalb Jahren jeden Freitag, ich wiederhole: jeden Freitag, sogar dann, wenn gar nichts passiert auf der Welt erscheint diese Kolumne und zwar immer ungefähr in derselben Länge, weil ich es nicht gut finde mit den Längen zu variieren, weil das Internet keine Platzprobleme hat. Und diese Woche ist auch deshalb keine gute Kolumnenwoche, weil im Prinzip alles in Ordnung ist – ich bin, wie sagt man?, zufrieden, außerdem ist ja grad Sommerloch, vor genau einem Jahr habe ich an dieser Stelle über das Phänomen Sommerloch geschrieben, das kann ich natürlich jetzt nicht mehr machen.

Außerdem ist dann ja doch noch was passiert, das Higgs-Boson wurde entdeckt, das so genannte Gottesteilchen.  Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Wie es scheint, eine gute, schließlich handelt es sich wohl um das letzte, fehlende Elementarteilchen, es ist der Beweis für die Theorie von einem Kraftfeld, das allen Objekten eine Masse verleiht, und wie man ja weiß, hätte sich ohne Masse, ohne Schwerkraft, nach dem Urknall das Universum nicht bilden können. Im Prinzip geht es also um das Teilchen, ohne das es Blumen und Katzen, Christy Turlington und Mario Balotelli, die Provence und die Musik von Bach nie gegeben hätte. Ohne Higgs-Boson allerdings auch kein RTL2, Hitler und Frozen Yogurt. Übrigens lehnen katholische Würdenträger das Wort „Gottesteilchen“ entschieden ab.

Sie kennen ja diesen Spruch: Only bad news are good news; etwas umgedeutet gilt der auch für sogenannte Frauenmagazine, da geht der Spruch ungefähr so: Watching famous people getting damaged. Übertragen für einen Kolumnisten heißt das: Schlechte Laune sorgt für gute Texte, gute Laune sorgt für schlechte Texte.

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