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In neuer Zusammensetzung: Offiziell wurden Eurobonds zwar noch nicht eingeführt, eine gemeinsame Haftung für Bankschulden wäre aber das gleiche, meint unser Autor.

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Kolumne "Mein Blick": Spanien und Italien haben die Euro-Bonds durch die Hintertür eingeführt

"Euro-Bonds" sind ein europapolitisches Reizwort. Faktisch gibt es sie jetzt, seit sich die Regierungschefs auf eine gemeinsame Haftung für Bankschulden geeinigt haben. Jetzt kann nur noch eine Institution Deutschland retten.

Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Da lässt sich die deutsche Bundeskanzlerin im Interesse Europas und seiner verschuldeten Südländer ein Wachstumspaket abringen, mit dem die wirtschaftlichen Ungleichgewichte verringert werden sollen. Und ausgerechnet jene von Deutschland am wenigsten benötigten Wachstumsimpulse werden in Brüssel zum Mittel der Erpressung, um Frau Merkel die gemeinsame Haftung für Bankschulden abzuzwingen. Man kann es auch anders formulieren: Ein im europäischen Solidaritätsinteresse geschaffenes Instrument ist zur Waffe im nationalen Interesse Italiens und Spaniens umgeschmiedet worden. Und nur weil die Bundeskanzlerin ohne das Wachstumspaket im Bundestag keine Zweidrittel-Mehrheit für den Fiskalpakt erhalten hätte, hat sie sich der Erpressung gefügt.

Von Bismarck stammt die Beobachtung, dass die angeblichen Interessen Europas immer dann hervorgekramt werden, wenn das nationale Eigeninteresse besonders schamlos um die Ecke schaut. Doch Monti und Rajoy haben nicht einmal jene von Bismarck gefürchtete Heuchelei geübt. Sie können künftig ihre Banken mit vom deutschen (und manch anderem) Steuerzahler zur Verfügung gestellten Geld rekapitalisieren, ohne dass irgendeine Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Union oder sonst wem wie in Griechenland nach Reformen fragt. Nach dem erpresserischen Kompromiss braucht Europa keine Euro-Bonds mehr, es hat sie schon.

Bankenhilfe und mehr Zeit für Spanien - Die Beschlüsse im Video:

Nun mag eine europäische Bankenaufsicht das Schlimmste verhindern und ins Kleingedruckte noch manches hineinverhandelt werden, was den Weg in die Schuldenunion etwas steiniger erscheinen lässt – der Weg selbst allerdings ist vorgezeichnet. Und am Ende bleibt die Frage, warum die deutsche Bundeskanzlerin, die geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, eingeknickt ist. Wohl vor allem deshalb, weil in diesem Land und bei seinen Eliten die Angst umgeht, antieuropäisch zu erscheinen. Statt das nationale Interesse dieses Landes zu formulieren und druckvoll zu vertreten, glauben unsere Politiker an ein gemeinsames europäisches Interesse, um immer von Neuem den nationalen Interessen anderer nachzugeben.

Der eiserne Kanzler hatte schon recht und Wolfgang Schäubles Beschimpfung jener professoralen Warner, die in einem offenen Brief die Gipfelbeschlüsse kritisierten, zeigt nur, dass die Nerven der Regierenden blank liegen. Denn die Europäische Union kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn die Deutschen Europa, die anderen aber Frankreich, Italien, Spanien oder Griechenland sagen. Es wird höchste Zeit, dass die Auflösung des deutschen Nationalstaates wie ein Stück Zucker im Tee ein Ende hat. Die neue Debatte um Volksentscheide kommt da gerade recht. Es mag ja sein, dass eine Mehrheit der Deutschen in einem Brüsseler Europa aufgehen möchte. Dann sollte man sie befragen. Die stattdessen gewählte Methode des scheibchenweisen Verlustes demokratischer Souveränitätsrechte mag für Politiker wie Schäuble praktischer sein, demokratisch ist sie nicht.

Man kann nur hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht nach zwei Urteilen, in denen es die Zunge gespitzt hat, nun endlich einmal pfeift: Bis hierher und nicht weiter ohne das Volk – den Souverän. Dann bekäme der der IWF-Chefin Lagarde zugeschriebene Ausbruch, wenn hier noch einmal einer Bundesverfassungsgericht sagt, verlasse ich den Raum, endlich seinen Sinn und das Land hätte neue Helden. Dass Regierung und Opposition eben das fürchten, ist die Lebensversicherung für das gute alte Grundgesetz.

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