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Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.

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Kolumne "Meine Heimat: Die Palästinenser können sich nur auf einen verlassen

So paradox es klingen mag: Zu einem souveränen Staat können nur die Israelis den Palästinensern verhelfen. Viele der vermeintlichen arabischen Freunde der Menschen in Gaza haben in Wahrheit kein Interesse an einem Ende des Konflikts.

Im Nahen Osten zeigt sich – wieder einmal – der schleichende Übergang zwischen Krieg und Frieden. Israel hat mit illegalen Siedlungen im Westjordanland Fakten geschaffen, die die notwendige Zwei-Staaten-Lösung verhindern. Aus dem Gazastreifen starten jene knapp sieben Meter langen Raketen mit 90 Kilo Sprengstoff, die ungelenk irgendwo einschlagen. Sie treffen Wohnhäuser oder Armeeposten oder sie fallen ins Meer. Sie sind menschenverachtende Botschaften eines Absenders, der sagt, es ist mir egal, wen es erwischt, ihr seid alle schuld. Als Israeli würde ich auch wollen, dass meine Regierung mir diese Bedrohung vom Hals schafft. Im Vergleich zu den Möglichkeiten der Kriegsführung, über die Israel verfügt, sind diese Raketen nichts.

Wenn ich nun aber seit drei Generationen in einem Flüchtlingslager sitzen würde, als Mensch zweiter Klasse, ohne Perspektive, nur mit einer Gegenwart, ohne Zukunft, was läge da näher, als die mich bombardierende Hightech-Nation von nebenan für mein Schicksal verantwortlich zu machen?

Aber ich will nicht in die Falle tappen und von „den Israelis“ oder „den Palästinensern“ sprechen. Die Siedlungspolitik ist in Israel heftig umstritten. Im Gazastreifen hat die Mehrheit für die Hamas gestimmt, es wäre aber falsch, das als Freibrief der dort eingesperrten Menschen für den Terror zu lesen. Es ist schwer, nach der Wahrheit zu suchen. Und genau das scheint auch gar nicht gewollt zu sein. Was machen denn die Länder drumherum? Sie handeln, wenn überhaupt, nur halbherzig. Solange dieser Konflikt existiert, gibt es ein dünnes Band der Solidarität zwischen Ländern, die damit von eigenen, innenpolitischen Problemen ablenken. Die arabischen Brüder und der Iran liefern Waffen und Geld, nicht etwa, weil man damit eine Lösung herbeikämpfen könnte, im Gegenteil. Man braucht diesen Konflikt, und um ihn am Köcheln zu halten, sind die Palästinenser als preiswertes Kanonenfutter gerade gut genug. So kauft man sich mit Petro-Dollars frei und hält sich die Palästinenser vom Leib.

Nun sollen die Waffen wieder schweigen, eine Schwimmweste der Vernunft in einem Meer von Hass. So naiv, wie es vielleicht klingen mag: Die Palästinenser haben nur einen Staat, auf den sie bauen könnten, ihren Nachbarn Israel. Beide Völker wissen, wie es ist, ausgestoßen zu sein, beide Völker haben unendliches Leid ertragen müssen und beide Völker haben nur eine Zukunft, wenn sie einen Weg zu einem Miteinander finden. Weder Ultraorthodoxe noch radikale Islamisten können Maßstab für eine friedliche Lösung sein. Beide treten den Sinn der Religion mit Füßen, nämlich Menschen zu zivilisieren und Humanität einzufordern.

Mir fiel ein Satz von Fridtjof Nansen ein, den Willy Brandt bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises zitierte: „Beeilt Euch zu handeln, ehe es zu spät ist zu bereuen.“

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