zum Hauptinhalt
Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.

© promo

Kolumne "Meine Heimat": Erst Jäger, dann Kuschler

Wir Frauen wollen den einen, dann lieber den anderen. Je nach Hormonlage. Ist das bei Männern auch so, fragt sich unsere Kolumnistin Hatice Akyün.

Hurra, mitten im März kehrt der Winter zurück. Warum ich mich so darüber freue? Nun, wenn es draußen kalt ist, spüre ich mein Herz nicht so, das von mitteleuropäischen Gefriertruhen emotional schockgefrostet wird. Meinen Gefühlshaushalt stelle ich mittlerweile lieber in den Kühlschrank, so wie in Plastik eingeschweißten Mozzarella, der dadurch unendlich haltbar wird, aber auch nicht mehr zu genießen ist. Mangel an Gelegenheit ist kein Ausdruck von Sittlichkeit, sagte einer dieser älteren Redakteure in Duisburg immer zu mir. Jetzt, wo ich nicht mehr als Frischling durchgehe, aber auch noch keine in Ehren ergraute Dame bin, ertappe ich mich ab und an in der Unmöglichkeit, in der Zweisamkeit mehr Lebensqualität zu erreichen.

Keine Sorge, hier kommt keine Befindlichkeitsbeichte unter dem Arbeitstitel „Trockengebiete“. Es ist nur so, dass den attraktiven Männern der Tick Lebenserfahrung und Verantwortungsbewusstsein fehlt und den geübten Exemplaren die nötige Power, mich jenseits der Behaglichkeit mitzureißen. Neulich, als ich nachts nicht schlafen konnte, sah ich eine Dokumentation auf einem der Kabelsender. Wissenschaftler verkabelten Frauen am Kopf und fanden so heraus, dass Frauen vor dem Eisprung die kantigen, urwüchsigen Typen bevorzugten. Nach dem Eisprung allerdings zögen sie den Kuscheltypen vor. Die Evolution hat uns Frauen also eingepflanzt, dass wir in der Begehrlichkeit allmonatlich vom Jäger mit der Keule zum Brötchenholer wechseln. Ich war zwar keine Probandin dieser Studie, aber das kann ich persönlich und aus eigener Erfahrung bestätigen. Zum Paaren suchen wir uns also den Cowboy mit den Sporen, und schlummert das gute genetische Material in uns, wollen wir aus John Wayne einen Buchhalter machen, damit wir unsere Kinder in Sicherheit großziehen können.

Mal ungeachtet des Umstandes, dass es dem anderen Geschlecht dadurch nicht leichter gemacht wird, mit uns die Höhen und Tiefen des Lebens gemeinsam zu beschreiten, frage ich mich, ob der Mann diese Paradigmenwechsel auch durchlebt. Mein pragmatischer Kern scheint sich damit abgefunden zu haben. Die, die ich kennenlerne, sind durchweg nette, nicht ganz ausgebackene, umherschweifend Suchende. Ich bin aber kein Ausbildungsbetrieb, der aus Jünglingen Männer macht. Und die wenigen, reifen und abgeklärten Exemplare sind entweder auf der Flucht vor ihrer eingefahrenen Zweierbeziehung oder suchen einen Freizeitpartner, damit sie zu zweit weiter einsam sein können.

Meine Eltern waren immer aufeinander angewiesen und mussten sich, vermutlich auch notgedrungen, so aufeinander verlassen können, dass sie irgendwann untrennbar zusammengewachsen sind. Die besseren Lebensumstände ersparen uns das zwar, aber dafür leben wir in der Single-Hauptstadt aneinander vorbei. Oder wie mein Vater sagen würde: „Günesin sana gelmesini istiyorsan, gölgeden cikacak cesaretin olmali“ – Wenn du willst, dass die Sonne zu dir kommt, musst du den Mut haben, aus dem Schatten zu treten.

Zur Startseite